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Das Ei und ich

Das Ei und ich

Titel: Das Ei und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Betty McDonald
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Ausflug gekommen.
    Ich erinnere mich noch, mit welcher Sorgfalt ich mich auf den Besuch vorbereitete. Ich zog ein frischgewaschenes Kleid an, bügelte übereifrig meinen Mantel auf, frisierte mich hingebungsvoll und bereitete nette, kleine Sätzchen im höflichen Umgangston zu meiner Einführung vor. »Sie sind also Mrs. Kettle! Bob hat mir schon so viel von Ihnen erzählt!« oder »Ich bin Ihre neue Nachbarin und hielt es für an der Zeit, aus den Wolken herunterzusteigen und mich der Umwelt zu präsentieren. « (Ha-ha-ha-ha.)
    Schon unterwegs erlitt ich eine Enttäuschung. Die erste Meile legte ich getragen von begeisterter Vorfreude zurück, doch dann kühlte sich meine Begeisterung merklich ab, und bei der vierten Meile trabte ich nur noch mißmutig des Wegs, fand mein Vorhaben idiotisch und begriff überhaupt nicht, wie ich auf den verrückten Einfall gekommen war. In der vergangenen Nacht hatte es in Strömen gegossen, die Löcher und Gräben der Straße hatten sich in Pfützen und kleine Tümpel verwandelt, die sich über die ganze Breite des Weges hinzogen und bis zum Buschwerk an beiden Seiten reichten, so daß man mit turnerischer Gewandtheit unter den Bäumen und Büschen durchschlüpfen mußte, wollte man nicht bis zu den Knöcheln im Wasser waten. Schon nach einer halben Stunde klatschte mir mein schön gebügelter Mantel naß und faltig um die Beine, von meiner ordentlichen Frisur war nichts mehr zu sehen, dafür hingen Blätter und kleine Zweige in meinem Haar.
    Die Luft war rein, am Himmel segelten wunderhübsche Wolken wie Seifenschaumblasen, und ein mutwilliger Wind amüsierte sich damit, Zweige gegen mich aufzuhetzen, besonders in Augenblicken, wo ich meine Aufmerksamkeit darauf konzentrieren mußte, eine Wasserlache zu umgehen, und keine Möglichkeit gehabt hätte, auszuweichen, selbst wenn der Zweig »Achtung« gebrüllt hätte, bevor er niedersauste. Meine Furcht vor fallenden Ästen und Zweigen war begründet, denn von Zeit zu Zeit krachte es zu meiner Linken oder Rechten, und Äste von ansehnlichem Format kamen herunter. Bis ich jeweils erkannte, aus welcher Richtung das Krachen ertönte, klatschte das Fallholz bereits zu Boden, und nach einem Weilchen kam ich mit mir überein, nicht weiter mit dem Schicksal zu hadern und Wind und Zweige mit Verachtung zu strafen, denn was Gott wollte, das wollte er, und ich konnte herzlich wenig dagegen ausrichten.
    Zuweilen hüpfte ein braunes Kaninchen gerade vor mir ins Unterholz, und in den Baumkronen raschelte das Laub unter der scheuen Berührung der Vögel. Die Berge sahen spöttisch auf mich herunter, wie ich da kletterte, hüpfte und turnte, und wenn ich ihre finsteren Umrisse in den Pfützen vor mir erblickte, kam mir ihr machtstrotzendes Wesen erschreckend zum Bewußtsein, und ich wagte kaum, mich umzusehen, aus Angst, sie hätten die Straße hinter mir Zuwachsen lassen und ich stünde allein, verloren und unauffindbar inmitten der drohenden Einheit aus Bergen, Bäumen und Himmel.
    In düstere Gedanken versunken trottete ich meines Weges, bis hinter einer Kurve endlich die Kettle-Farm auftauchte. Als erstes fiel mir der hügelwärts gelegene Obstgarten auf, in dem sich Hühner, wild wie Falken, vor Dreck starrende Schweine und eine bunte Auswahl von Kälbern, Kühen, Stieren und Pferden tummelte. Am Zaun kletterten wilde Rosen entlang, am Wegrand leuchtete Löwenzahn, und zu Häupten der Schweine, Pferde, Kälber, Kühe und Stiere hingen, schwer von Blüten, die Äste der Apfelbäume.
    Unterhalb des Obstgartens befand sich ein großes, plumpes Haus, das früher grellgrün gestrichen gewesen war, ein Stall, der die gegen seine Wände geschichteten Misthaufen kaum noch überragte, und mehrere Schuppen und Hütten, die offenbar aus allem, was dem vorurteilslosen Erbauer in die Hände gekommen, errichtet worden waren. Auf dem Dach des Schweinestalles prangte ein doppelarmiger Wegweiser, wie er an Straßenkreuzungen zu stehen pflegt; beim Kuhstall war an Stelle von Dachpappe Linoleum und ein hölzernes Reklameschild, das aus Sparsamkeitsgründen den Erwerb von zwei Paar Hosen zu jedem Herrenanzug empfahl, verwendet worden. Sämtliche Nebengebäude erweckten einen wackligen und zusammengestoppelten Eindruck, da sich niemand die Mühe gemacht hatte, zu lange Bretter abzusägen. Um die Farm herum lagen alte Karren, Automobile, zerbrochene Feldgeräte, Stricke und Drähte, alles mögliche Gerümpel, das beim Bau der Schuppen und Hütten übriggeblieben war,

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