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Das Ei und ich

Das Ei und ich

Titel: Das Ei und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Betty McDonald
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Tannenboden schien frisch geschrubbt zu sein, eine wahrhaft überflüssige Mühe in Anbetracht des Hühnermistes und des sonstigen Drecks draußen vor der Tür.
    Während ich angestrengt das Kommen und Gehen der Fliegen verfolgte, watschelte Mrs. Kettle zwischen der Vorratskammer und der Küche hin und her und brachte dicke weiße Tassen mit Untertassen und Schüsseln herbei. Mrs. Kettle hatte hübsche, hellbraune Haare, die zu einem festen kleinen Knoten am Hinterkopf zusammengedreht waren, muntere blaue Augen, zarte Haut, die von der Hitze rosig überhaucht wurde, eine gerade, gutgeformte Nase, ebenmäßige weiße Zähne und ein zierliches, rundes Kinn. Doch unter dem hübschen Kopf wabbelten Busen und Bauch in unzähligen Wülsten. Kleid und Schürze starrten vor Schmutz, weiter kein Wunder, da sie sich fortwährend die Hände irgendwo an ihrer massigen Vorderfront abwischte. Außerdem hatte sie die peinliche Angewohnheit, sich unter den Rock zu greifen und in der Nabelgegend irgendwelche Wäschestücke zurechtzuzupfen oder sich vorne in den Ausschnitt zu langen und das Schwergewicht ihres wabbeligen Busens zu verlagern. Diese Gewohnheiten beschränkten sich nicht etwa nur auf die Intimität des eigenen Heims oder den diskreten Rahmen einer Damenzusammenkunft, o nein, Mrs. Kettle griff sich unter den Rock und langte sich in den Ausschnitt, wo und wann es ihr in den Sinn kam. »Wenn’s dich juckt, dann kratz dich!« war ihr oft verkündeter Wahlspruch.
    Aber ihre Zimtrollen waren besser als alles, was ich bei Kaffeekränzchen bisher vorgesetzt bekommen hatte. Sie streute freigebig Puderzucker darüber, und ich mußte mich an meine gute Erziehung erinnern, um nicht ein ganzes Dutzend davon zu vertilgen. Der Kaffee war so dick, daß er beim Einschenken gluckste, und ich wappnete mich mit Mißtrauen, bevor ich den ersten Schluck nahm, aber mit viel Sahne war er nicht einmal schlecht, obwohl er nur vage Ähnlichkeit mit dem Getränk hatte, das ich aufzubrühen pflegte.
    Während wir Kaffee tranken und Zimtrollen aßen, weihte mich Mrs. Kettle in ihre Familiengeschichte ein. Sie und Paw hatten fünfzehn Kinder, das Nesthäkchen war gerade zehn Jahre alt. Sieben Sprößlinge wohnten daheim, die anderen acht waren schon verheiratet und lebten verstreut in der näheren und weiteren Umgebung. Mrs. Kettle begann jeden Satz mit »Jeeeesus Keeristus« und mißbilligte in ein für allemal geprägten Ausdrücken jene Dinge, die ihr nicht paßten, oder solche, die sie begehrte, aber nicht haben konnte. »Ach, was sie angibt und sich tut mit ihrer ›Lektrizität‹. Nimm deinen ollen Staubsauger und stopf ihn dir in ’n Hals, hab ich ihr gesagt«, wetterte Mrs. Kettle und verlor sich in der Aufzählung genauer Einzelheiten, die sie ihrem guten Rat an die bewußte Dame hatte folgen lassen. Als sie nach einem Weilchen wieder auf ihre eigene Familie zu sprechen kam, fiel häufig der Name »Tits«. Tits’ Baby, Tits’ Mann, Tits’ Farm, Tits’ Handarbeiten. Alles, was Tits betraf, nahm Mrs. Kettle außerordentlich wichtig, und so war ich sehr erfreut, als plötzlich ein Wagen vorfuhr und Tits selbst erschien. Obwohl mir Mrs. Kettle bereits erklärt hatte, Tits sei eine Abkürzung für Schwester, zuckte ich unwillkürlich zusammen, sooft der Name fiel. Tits war eine der hoffnungsvollen Töchter der Familie Kettle. Sie hatte den üppigen Busen ihrer Mutter geerbt und besaß einen sechsmonatigen Sohn, den sie stets mit »du kleiner Lausbub« betitelte, so daß ich nie erfuhr, wie er wirklich hieß. Tits fütterte ihren Sohn trotz seines zarten Säuglingsalters mit Gurken, Bier, Schweinebauch und Kohl, worauf das undankbare Kind mit Krämpfen reagierte, die in der Familiensprache kurz als »Anfälle« bezeichnet wurden. »Gestern hat er sechs Anfälle gehabt«, berichtete die junge Mutter und stopfte dem Würmchen in Kaffee getauchte Zimtrollen in den Mund.
    Außerdem ist Elwin Kettle noch wert, erwähnt zu werden. Elwin war ein Junge mit strähnigem Haar und einer ausgesprochenen Begabung für alles, was mit Mechanik zusammenhing. Trotzdem er erst fünfzehn Jahre alt war, schien er nie in die Schule zu gehen, sondern verbrachte seine Tage damit, die unmöglichsten motorisierten Vehikel auseinanderzuklauben und wieder zusammenzubasteln. Mr. Kettle wurde von seiner Familie Paw und von Bob ein stinkfaules, lispelndes Schwein genannt. Die übrigen Kettles wiesen keine besonderen Eigenschaften auf. Sie waren schwerfällig,

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