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Das Ei und ich

Das Ei und ich

Titel: Das Ei und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Betty McDonald
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zogen am Morgen nach Paws Erscheinen bei uns mit viel Mitleid im Herzen für den armen alten Mann, der sich ohne Bobs Hilfe ganz allein mit dem Pflügen abmühen mußte, zu den Kettles hinüber. Als wir vorsichtig mit dem Wagen durch das wilde Durcheinander von alten Autos, Bruchstücken von alten Autos, Kindern, die unter alten Karren und ausrangierten Möbelstücken herumkrochen, einen Weg bahnten, rief uns Paw vom Stall aus an. Bob ließ mich aussteigen und fuhr zu ihm. Mrs. Kettle hatte den lobenswerten Einfall gehabt, das Badezimmer einmal gründlich zu reinigen. Ich fand sie, frohlockend über eine Schürze voller Werkzeuge, den oberen Teil eines Destillierapparates und ein noch ungeöffnetes Paket von Sears-Roebuck gebeugt, nach dem sie seit über einem Jahr gesucht hatte. Das Badezimmer war offensichtlich erst später und ohne besondere Sorgfalt hinzugefügt und einfach an eine schon bestehende Wand angebaut worden. Es war mit einer soliden Badewanne ausgestattet und nur vom Wohnzimmer aus erreichbar. Da ich wußte, daß die Kettles genügend Wasserzufuhr sowie einen Preßkolben und einen Wasserturm hatten, erkundigte ich mich erstaunt, warum sie sich denn kein Klosett im Haus einbauten. Mrs. Kettle warf mir einen vernichtenden Blick zu. »Damit jeder Lausekerl, der mal raus muß, durch mein Wohnzimmer stapft? Wenn wir schon anfangen wollen, mit dem Geld rumzuschmeißen wie’n betrunkener Matrose, dann gäb’s was Vernünftigeres einzurichten als so’n blödes Klosett.« Verschüchtert zog ich mich ins Wohnzimmer zurück, wo ich erst einmal die Fensterläden öffnete und ein bißchen Licht einließ. Verfolgt von den leblosen Augen einer Reihe von »Götzen« – so hatte Gammy farbige Fotografien stets genannt –, die offenbar Paws und Maws Ahnengalerie darstellten, wischte ich Staub. Das Wohnzimmer war aufgeräumt und sauber. An der für das Feuer bestimmten Stelle in dem Kamin aus roten Ziegeln reckte eine angekränkelte Topfpflanze ihre verkümmerten Blättchen, und auf dem Sims reihten sich, mit Reißzwecken und Bindfaden angeheftet, papierne Weihnachtsglocken, Ostereier aus Pappe, Glückwunschkarten von vergangenen Geburts- und Valentinstagen, Weihnachts- und Osterfesten. An einem Ende thronte eine frivol wirkende Ausschneidepuppe in einer rückenlosen Robe aus orangefarbenen Straußenfedern und ihr gegenüber, am anderen Ende, eine überreichlich vergoldete Statue der Madonna. Die Möbel des Zimmers waren mit schlüpfrigem, schwarzem Leder gepolstert, der Boden mit schlüpfrigem, gelblichbraunem Linoleum ausgelegt. Über den eichenen Lesetisch in der Mitte war eine dunkle, gestickte Decke gebreitet, und darauf lagen in regelmäßigen Abständen ein Band Shakespeare im Taschenformat, ein mit Perlmutter verziertes Fotoalbum, ein Stereoskop und ein Schächtelchen mit den dazugehörigen Bildern, auf dem in Gold aufgedruckt war: Ansichten aus dem Nationalpark Yellowstone. Vom Lampenhaken an der Decke hingen drei Fliegenfänger, schlaff vom Alter und schwer von toten Fliegen. Eine scheußliche Begräbnisstimmung herrschte im Zimmer; es roch modrig, und nirgends war ein Zeichen von Unordnung oder auch nur ein Kratzer auf den Möbeln zu entdecken. In Anbetracht der fünfzehn Sprößlinge und des Zustandes der übrigen Räume fand ich dies erstaunlich. Doch als ich dann sah, wie Maw aus dem Badezimmer kam, stillschweigend zum Fenster ging, die Läden schloß, die Tür zur Diele verriegelte und auch hinter uns die Tür zur Küche abschloß, wunderte ich mich nicht mehr. Der Gebrauch des Wohnzimmers war strikte verboten. Es war das blütenweiße Taschentuch in der Brusttasche des Hauses.
    Als wir Badezimmer und Wohnzimmer geputzt hatten, war es Zeit fürs Mittagessen. Es gab Makkaroni; nicht etwa Makkaroni mit Käse, sondern Makkaroni aus dem Wasser gezogen, ohne eine Prise Salz oder Fett, gekochte Kartoffeln, geschmorte Bohnen und Gurken. Das trockene Zeug wurde mit tintenschwarzem Kaffee heruntergespült, der seit dem Frühstück auf dem Herd brodelte.
    Die Männer schlangen ihr Essen hinunter und eilten dann wieder an die Arbeit. Bob schien verärgert zu sein, sagte aber nichts. Maw und ich trödelten noch über dem Kaffee und wuschen dann gemütlich ab, wobei ich mir Maws wortreiche Klagen über ihre lieblosen Geschwister anhören mußte, die sie wenige Stunden, bevor Georgie, Bertha, Elwin, Joe, John oder Charles das Licht der Welt erblickten, besucht hatten, ohne zu bemerken, daß sie »so« war.

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