Das Einhornmädchen Vom Anderen Stern
beide sehr wohl wußten, hätte er einen Krug kaltes Kilumbemba-Bier geschätzt, die andere Spezialität jenes Planeten, um den gebratenen Schellfisch hinunterzuspülen.
»Denk nicht mal dran«, murmelte Calum in sein Ohr. »Wenn ich mich wie einen weißen Ballon einwickeln kann, um deiner Bekehrung Glaubwürdigkeit zu verleihen, kannst du auch einen Abend lang Fruchtsaft trinken und es genießen.«
»Deine ältere Frau ist verstört?« erkundigte Hafiz sich.
»Nicht ein weiterer Anfall, hoffe ich?«
Rafik versuchte, Calum auf den Fuß zu treten, schaffte es aber nur, auf den Saum seines Gewands zu trampeln. »Sie ist bei ausgezeichneter Gesundheit, danke, Onkel«, erwiderte er,
»sie neigt lediglich dazu, über Nichtigkeiten zu schwatzen, wie es die Art der Frauen ist.«
»Frauen, die nicht verschleiert und von der Außenwelt abgeschirmt gehalten werden«, stellte Hafiz recht bissig fest,
»haben mehr Gelegenheit, interessanten Gesprächsstoff zu entwickeln – ach, schon gut, schon gut! Ich werde kein Wort mehr gegen die Offenbarungen von Moulay Suheil äußern.«
»Wir kehren nur zu den unverfälschten Traditionen unseres ursprünglichen Glaubens zurück«, begehrte Rafik steif auf.
»Dann laßt uns heute nacht eine andere Tradition auskosten«, wandte sich Hafiz an die Runde, »und als Zeichen des festen Vertrauens innerhalb der Familie alle aus derselben Karaffe trinken.« Er machte ein Schauspiel daraus, den eisgekühlten Madigadi-Saft in jeden ihrer Becher zu gießen, wobei er mit seinem eigenen endete und einen tiefen Schluck daraus nahm, wie als Beweis für die Unschädlichkeit des Getränks. Rafik erhob seinen eigenen Becher, aber ein plötzlicher Tumult außerhalb des Raumes lenkte ihn ab und ließ ihn diesen wieder absetzen. Man vernahm ein Gemurmel aufgeregter Stimmen, dann das schrille Jammern einer Frau: einer alten, schwankenden Stimme.
»Aminah!« Hafiz seufzte und stand auf. »Taphas alte Amme.
Sie reagiert auf jede kleinste Nachricht aus dem Süden wie auf eine neue Folge in einem Vid-Drama. Ich sollte sie besser beruhigen. Entschuldigt die Unterbrechung. Bitte, fahrt mit eurem Mahl fort; das könnte einige Zeit dauern.« Er eilte raschen Schritts aus dem Raum, die Stirn in Falten gelegt.
Gill nahm eine Handvoll der panierten Schellfische und zermalmte sie mit Genuß.
»Nun, er hat doch gesagt, wir sollten weitermachen«, verteidigte er sich, als Rafik eine Augenbraue hochzog, »und selbst wenn der Tisch diese Sachen warmhält, kann er sie doch nicht unbeschränkt knusprig halten.« Er holte tief Luft und griff nach seinem eigenen Becher. »Ich muß schon sagen, ich habe sie noch nie zuvor so heiß und würzig serviert bekommen.«
»Jedes anständige Essen schmeckt euch Barbaren zu scharf gewürzt«, sagte Rafik. »Acorna, was machst du da?« Sie fuhr fort, an ihren Schleiern herumzuschieben und zu -fummeln, bis sie ein wüstes Durcheinander rings um ihr Gesicht bildeten.
»Hier, Süße, laß mich das für dich in Ordnung bringen«, erbot sich Gill. »Irgendein Grund, warum sie ihre Schleier nicht für das Abendessen aus dem Gesicht schieben sollte, Rafik? Es ist ja nicht so, als ob Hafiz etwas zu sehen bekäme, das er nicht vorher schon mal gesehen hat.«
»Nur daß er sich wundern könnte, warum ich nicht auch meiner anderen Frau gestatte, sich zu entschleiern«, antwortete Rafik resigniert. »Ich vermute, ich werde erklären müssen, sie ist so häßlich, daß ich befürchte, ihr Anblick würde ihm den Appetit verderben.«
Calum versetzte ihm einen Fußtritt unter dem Tisch.
»Das ist merkwürdig«, murmelte Gill, als er Acornas Stirn befühlte.
»Glaubst du, daß sie Fieber hat?«
»Ihre Haut ist normal kühl. Aber schaut euch ihr Horn an!«
Große Tropfen einer klaren Flüssigkeit bildeten sich auf den geriffelten Seiten von Acornas Horn. Sie wischte wirkungslos mit dem Ende ihres Schleiers daran herum.
»Trink etwas Kaltes, Liebling, dann wird es dir gleich besser gehen«, schlug Gill vor und hielt ihren Becher für sie hoch.
Acorna starrte einen Moment lang blicklos darauf, nahm Gill dann den Becher ab und, statt ihn zum Mund zu führen, tauchte ihr Horn hinein.
»Was zum Teufel…«
»Das macht sie auch mit dem schmutzigen Badewasser.
Acorna, Schätzchen, glaubst du, der Saft sei schmutzig? Keine Sorge, das Zeug, das drin rumschwimmt, ist nur Madigadi-Fruchtfleisch.«
»Es ist nicht schmutzig«, widersprach Acorna mit Nachdruck.
»Schön, das ist gut –
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