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Das einsame Haus

Das einsame Haus

Titel: Das einsame Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Borell
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schrecklichen Horror davor, Frauen erklären zu müssen, daß sie Witwen geworden sind. Ich kann die Heulerei nicht ausstehen.«
    »Keine Sorge«, sagte ich. »In diesem Falle wird sie Ihnen vor Entzücken um den Hals fallen. Aber — sie hat ein unglaublich gutes Alibi. Gute Nacht, Inspektor.«

    Ich fuhr zum Englischen Garten und parkte meinen Wagen am Chinesischen Turm. Ich hatte Zeit und ging nicht viel schneller als die Liebespärchen auf den verschlungenen Wegen.
    Der Monopteros, ein kleines griechisches Tempelchen auf einer sanften Anhöhe, dient an Sonnentagen den Münchnern als billiger Luftkurort. Man sitzt auf den Stufen, hat aber dabei Besseres zu tun.
    Ich fand das Tempelchen reichlich bevölkert, ging drum herum und erntete — soviel konnte ich beim Mondlicht erkennen — eine Menge böser Blicke von Pärchen, die mich für einen Mann hielten, der sich an so was ergötzt.
    Ich zündete mir eine Zigarette an.
    Da kam sie angetrippelt, zierlich wie eine Gazelle, und der Mond spiegelte sich auf ihrem lackschwarzen Haar.
    »Guten Abend, Fräulein van Straaten. Sie haben mich lange warten lassen.«
    »Ich konnte nicht früher weg«, sagte sie. »Also, was wollen Sie von mir?«
    »Ich? Gar nichts. Sie haben mich doch herbestellt. Oder vielmehr herbestellen lassen.«
    »Keine Spur. Was soll dieser ganze Quatsch? Sie sagten doch...«
    »Wann habe ich etwas gesagt, und was habe ich gesagt?«
    »Ich habe keine Zeit für solche Albernheiten. Entweder Sie sagen mir jetzt klipp und klar, was Sie von mir wollen, oder ich gehe wieder.«
    »Setzen wir uns erst mal«, sagte ich. »Es muß eine Mystifikation vorliegen. Ich bin gekommen, weil ich in meinem Auto einen Zettel fand, ich solle heute abend hierher kommen. Und vorhin hat mich ein Mann angerufen, der gesagt hat, ich solle um zweiundzwanzig Uhr hier sein. Da bin ich.«
    Sie zögerte eine Sekunde, dann fragte sie: »Ist das wirklich wahr?«
    »Ich schwöre es.«
    »Komisch.« Sie kramte in ihrer Handtasche und brachte einen Zettel zum Vorschein, der meinem zum Verwechseln glich. Sie gab ihn mir, ich zündete mein Feuerzeug an und las:
    Kommen Sie heute abend zum Monopteros im Englischen Garten.
    Wir verglichen die beiden Zettel. Sie stammten beide aus einem Ringbuch, die Schrift war gleich.
    Sie sagte: »Ich fand ihn, als ich heute abend nach Geschäftsschluß heimfahren wollte. Zuerst dachte ich, daß er von Ihnen stammt, Sie hatten mir ja Ihre Karte an den Scheibenwischer gesteckt. Ich wollte auch nicht kommen. Aber dann dachte ich, ich könnte doch mal vorbeischauen.«
    »Irgend jemand führt uns ganz schön an der Nase herum. Daß Ihr Chef, Walther Möhnert, vergiftet worden ist, wissen Sie doch wohl inzwischen?«
    Sie nickte. »Die Kripo war heute bei uns in der Fabrik. Herr Buchinger sagte mir hinterher Bescheid.«
    »Das ist der Personalchef, nicht?«
    »Ja. Er sagte, Herrn Möhnert sei etwas zugestoßen, man vermute sogar, daß er ermordet worden sei. Ich solle aber zu keinem Menschen darüber sprechen.«
    Was sie sagte, klang ehrlich. Aber es konnte genausogut auch alles raffiniert erlogen sein. Die Zettel konnte sie selber geschrieben haben, ihren eigenen als Vorwand. Während ich mit dem Pförtner über den verschwundenen Hund Giacomo sprach, konnte sie mir den ersten Zettel in den Wagen geschmuggelt haben, dann war sie mir nachgefahren und steckte vor dem Polizeipräsidium den zweiten Zettel an meinen Wagen, und schließlich ließ sie mich anrufen. Von wem?
    »Was haben Sie gesagt?« hörte ich sie neben mir fragen.
    »Ich überlege mir gerade, ob Sie ein kleines unschuldiges Mädchen sind oder ein raffiniertes Luder. Beides hätte was für sich. Haben Sie Giacomo zu sich genommen?«
    »Nein...«, sie unterbrach sich und schaute mich erschrocken, fast entsetzt an.
    »Kindchen, um mich anzulügen, muß man schon mehr auf dem Kasten haben. Sie kennen — oder besser kannten also die alte Hilbinger?«
    Sie nickte.
    »Woher? Und seit wann?«
    »Von früher her. Vor der Währungsreform hat sie meiner Mutter oft mit Fett und Eiern weitergeholfen. Manchmal habe ich sie besucht und ihr aus der Stadt mitgebracht, was sie brauchte.«
    »Na schön, und — warum haben Sie das nicht gleich zugegeben?«
    »Weil Sie das doch gar nichts anging. Außerdem haben Sie so komisches Zeug geredet, wenigstens schien es mir so, als Sie zum erstenmal ins Büro kamen.«
    »O du liebe Güte«, stöhnte ich. »Das klingt alles so glaubhaft. So verdammt glaubhaft! Und doch muß

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