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Das einsame Haus

Das einsame Haus

Titel: Das einsame Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Borell
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tun?«
    »Wenn ich kann.«
    »Schreiben Sie das nicht in der Zeitung.«
    »Ich will versuchen, es zu vergessen. Hatte er einen ganz bestimmten Feind? Einen Todfeind gewissermaßen?«
    »Keine Ahnung. Ein paar Frauen vermutlich.«
    »Und es interessiert Sie nicht, was seine letzten Worte waren?«
    »Nein, gar nicht.«
    »Es muß einen dunklen Punkt in seinem Leben gegeben haben. Einen sehr dunklen Punkt.«
    Ihre Augen hingen an dem Kind, das draußen im Wasser planschte. Wie zu sich selber sagte sie: »Es wird viele dunkle Punkte in seinem Leben gegeben haben. Einer der größten davon bin ich gewesen. Er hätte mehr Grund gehabt, mich umzubringen, als umgekehrt. Ich glaube, unser Gespräch ist damit erschöpfend genug gewesen.«
    »Ja, danke. Ich werde jetzt gehen. Übrigens sagte er: Ich bin unschuldig, ehe er starb.«
    Da war wieder dieses böse, kalte Lächeln, als sie sagte:
    »Das hat er immer gesagt. Es paßt auf vieles. Auf Wiedersehen.«
    Sie begleitete mich zur Haustür, und im gleichen Augenblick fuhr draußen ein Telegrammbote auf seinem gelben Motorroller vor. Er kam herein und übergab Frau Möhnert ein Telegramm.
    Ich blieb neben ihr stehen, als sie es aufriß und den Text las. Sie reichte es mir und fragte: »Verstehen Sie das?«
    Ich las: Ihr Mann hat seine letzte Rechnung bezahlt.
    »Darf ich es behalten?« fragte ich.
    »Bitte, es ist für mich völlig belanglos.«
    Ich wandte mich zum Gehen, drehte mich aber noch einmal um.
    »Wo kann ich Ihren — den Junior finden? Hätte er einen Grund gehabt, seinen Vater...«
    Sie unterbrach mich.
    »Natürlich. Der Junge hat’s nie leicht gehabt. Er wird in der Fabrik sein. Oder woanders. Ich weiß nicht.«
    Ich steckte das Telegramm in die Tasche und ging durch den Garten zum Tor. Ich wollte Cornelia vom Geschäft abholen, um mit ihr zu sprechen.

    Ich kam zu spät. Cornelia war schon fortgegangen. Als ich den Wagen vor meinem Haus parkte, kam mir ein älterer Herr entgegen: Arnold Schwenk! Er tat recht geheimnisvoll.
    »Herr Brenthuisen — ich muß unbedingt mit Ihnen sprechen.«
    »Bitte, ich stehe zu Ihrer Verfügung.«
    Er schaute sich um, dann flüsterte er:
    »Ich habe Sie heute morgen angeschwindelt. Meine Frau hat für so was kein Verständnis, wissen Sie. Ich habe aber wirklich jeden Monat dreihundert Mark an Frau Hilbinger überwiesen. Als Miete für das Haus am Waldrand.«
    »Mann! Kommen Sie ‘rein, das müssen Sie mir genau erzählen!«
    Wieder schaute er sich um. Seine Augen waren voller Angst. »Manchmal geht mir meine Frau nach, wissen Sie.« Er folgte mir zögernd, und erst als er in meinem Zimmer saß, schien er sich sicher zu fühlen.
    »Was zu trinken?« fragte ich.
    Er hob abwehrend die Hände.
    »Danke, ich trinke keinen Alkohol. Das schwächt die Kondition.«
    Beinahe hätte ich gelacht. Es klang zu drollig, diese halbe Portion von Kondition reden zu hören.
    »Schießen Sie los«, sagte ich. »Also Sie haben sich da ein kleines, verschwiegenes Liebesnest eingerichtet, was?«
    Er fuhr wie gestochen in die Höhe.
    »Herr! Was erlauben Sie sich! Ich habe — nun ja, ich habe ein- oder zweimal dort übernachtet. Zugegeben, ich war auch nicht allein. Aber Liebesnest — nein, das dürfen Sie nicht sagen.«
    »Schön«, nickte ich. »Um Begriffe wollen wir uns nicht streiten. Und dafür haben Sie jeden Monat dreihundert Eier hingelegt?«
    »Ich bekam das Geld doch überwiesen.«
    »Wie bitte? Würden Sie das noch mal wiederholen?«
    »Ich bekam das Geld überwiesen. Von jemandem, den ich überhaupt nicht kenne.«
    »Vielleicht könnten Sie mir das etwas genauer erklären.«
    »Gern. Also die Sache war so: Vor drei Jahren, nein, vor vier Jahren brachte mir der Kellner einen Brief an den Tisch. Ich trinke nämlich meinen Kaffee immer in der Börse, jeden Nachmittag, und immer zur gleichen Zeit. Man kennt mich dort, und eines Tages also brachte mir der Kellner den Brief. Es lagen drei Hundertmarkscheine drin, und es stand in dem Brief, ich solle das Geld an eine gewisse Frau Anna Hilbinger schicken, als Miete für ein bestimmtes Haus. Die Lage dieses Hauses war genau beschrieben. Weiter stand drin, für diese kleine Gefälligkeit könnte ich das Haus am ersten Wochenende in jedem Monat für mich verwenden, den Schlüssel würde ich von Frau Hilbinger bekommen. Und dann hieß es noch, man würde mir künftig jeden Monat diese dreihundert Mark schicken, per Postanweisung, und als Absender würde meine Waschmittelfirma draufstehen.

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