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Das einsame Haus

Das einsame Haus

Titel: Das einsame Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Borell
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die alte Baronin angelogen und ihr Mann hatte sich nicht 1944 erschossen, sondern war erst 1953 vergiftet worden. Oder es gab einen zweiten Baron van Straaten.
    Anna van Straaten war 1946 geboren, das hatte ich im Präsidium erfahren, als ich nach ihrer Autonummer geforscht hatte. Sie konnte also nicht die Tochter eines Mannes sein, der sich schon 1944 erschossen hatte. Aber sie konnte die Tochter eines Sohnes dieses Mannes sein. Dann aber mußte die alte Baronin Hortensie van Straaten, die in Bogenhausen lebte, die Großmutter Annas sein. Warum hatte sie mir gesagt, sie wisse nichts von Verwandten?
    Und warum, zum Teufel, hatte ich Anna noch nie nach ihren Eitern gefragt? Inspektor Wendlandt würde das natürlich tun, und damit wäre er mir wieder um einige Nasenlängen voraus.
    Vielleicht auch nicht, wenn ich rasch handelte...

    Wie beim erstenmal öffnete mir auf mein Klingeln die weißhaarige Baronin van Straaten selber. Nur trug sie diesmal kein hellgraues Jerseykostüm, sondern ein raffiniert einfaches schwarzes Kleid, das gewiß nicht billig gewesen und schon gar nicht von der Stange gekauft war.
    »Darf ich Sie noch mal kurz stören, Baronin? Ich habe noch einige Fragen zu klären.«
    Ihr faltiges Gesicht mit den erstaunlich jungen Augen zeigte keinerlei Regung, als sie sagte: »Ich wüßte nicht, was mich veranlassen könnte, Ihnen Fragen zu beantworten.«
    »Vielleicht tun Sie es doch, Baronin, wenn Sie erfahren, daß man vorhin Ihre Enkelin unter Mordverdacht festgenommen hat.«
    Ein kaum merkliches Zucken ihrer Mundwinkel.
    »Ich habe keine Enkelin. Ich habe überhaupt keine Verwandten. Sagte ich Ihnen das nicht schon neulich?«
    »Doch, Baronin. Aber Sie sagten nicht die Wahrheit. Wollen Sie diese Unterhaltung wirklich weiter zwischen Tür und Angel führen?«
    Sie schüttelte leicht den Kopf.
    »Nein. Ich wünsche diese Unterhaltung überhaupt nicht zu führen. Guten Tag...«
    Ich tat, was nicht erlaubt ist: Ich stellte meinen Fuß in die Tür, ehe die Baronin sie zumachen konnte.
    »Gnädige Frau, ist es Ihnen wirklich lieber, wenn die Polizei Sie vernimmt? Anna wird von Inspektor Wendlandt vernommen. Sie wird Angaben zu ihrer Person machen müssen, und wenn sie das nicht will, wird man es in den Karteikarten finden. Sie wissen doch, Baronin, man findet in Deutschland alles auf irgendeinem Karteiblatt. Was war mit Ihrem Sohn, dem Baron William van Straaten? Glauben Sie, daß er ermordet worden ist?«
    Sie schaute mich eine Weile schweigend an, dann öffnete sie die Tür.
    »Kommen Sie herein, Herr...«
    »Brenthuisen, Baronin. Vielen Dank.«
    Sie führte mich wieder in ihr modernes, ganz hellgrau gehaltenes Wohnzimmer mit dem breiten Fenster nach Süden. Es war Föhn, man konnte die Kette der Berge sehen. Sie standen so nahe, als säumten sie den Stadtrand.
    »Bitte«, hörte ich sie hinter meinem Rücken sagen. »Bitte setzen Sie sich.« Das feine Klirren von Glas. »Einen Schluck Portwein? Neulich haben Sie Portwein getrunken.«
    Ich drehte mich um.
    »Ja, bitte.«
    Sie schenkte aus der geschliffenen Karaffe ein, setzte sich und deutete auf den Sessel gegenüber.
    »So setzen Sie sich doch, Herr Brenthuisen. Ich kann es nicht leiden, wenn jemand steht, während ich sitze.«
    Ich setzte mich, hob mein Glas und ertappte mich dabei, daß ich unwillkürlich an Gift dachte.
    Sie nippte an ihrem Glas, es war aus der gleichen Karaffe gefüllt worden, und ich nippte auch. Blödsinn, an Gift zu denken...
    »Also«, sagte ich, »warum haben Sie mir damals nichts von Ihrem Sohn gesagt? Das hätte manches klären, vielleicht sogar ein Menschenleben retten können.«
    Sie zuckte mit den Schultern.
    »In meinem Alter sind Menschenleben nicht mehr so wichtig. Man steht selber schon mit dem Herrgott auf Du, und irgendwann müssen wir alle mal sterben. Ich habe mich von meinem Sohn losgesagt, er existierte nicht mehr für mich, schon lange, ehe er sich so jämmerlich... ehe er sich umgebracht hat.«
    »Also ist Anna tatsächlich Ihre Enkelin?«
    Ihr Gesicht war kalt wie blankes Eis.
    »Wie kann ich eine Enkelin haben, wenn ich keinen Sohn hatte?«
    Ich beugte mich ein wenig vor. Diese Frau war sicherlich ein Fall für einen Psychiater.
    »Liebe Baronin, was immer auch Ihr Sohn getan haben mag, er muß Sie tief gekränkt haben. Aber kann denn eine Mutter einfach sagen, von jetzt an ist er nicht mehr mein Sohn? Und wenn er ein Kind hatte — kann eine Frau einfach leugnen, daß sie ein Enkelkind hat? Was kann das junge

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