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Das einsame Haus

Das einsame Haus

Titel: Das einsame Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Borell
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Mädchen dafür, daß Ihr Sohn Sie enttäuscht, gekränkt oder was weiß ich getan hat?«
    Sie starrte an mir vorbei zum Fenster hinaus, dann sprach sie leise, als sei ich gar nicht da.
    »Wenn er gestohlen hätte oder unterschlagen, wenn er Schecks gefälscht oder gar einen Menschen getötet hätte, alles würde ich ihm verziehen haben. Mein Mann und ich haben alles getan, ihn ordentlich zu erziehen, zeitweise ist uns das sehr schwergefallen. Nach dem Ersten Weltkrieg und nach der Inflation waren wir praktisch mittellos. Trotzdem haben wir William ins teuerste Internat geschickt, haben gespart und gehungert und gefroren, damit ihm nur ja nichts fehle. Und da kommt er eines Tages mit diesem Frauenzimmer an...«
    Sie brach ab und schaute mich erschrocken an.
    »Wie komme ich dazu, Ihnen Dinge zu erzählen, über die ich nie gesprochen habe, außer mit meinem Mann? Ich möchte nicht, daß Sie in Ihrer Zeitung darüber schreiben.«
    »Die einzige Möglichkeit, das zu verhindern, ist die volle Wahrheit. Außer mir schreiben auch noch andere Leute. Sie werden schreiben, was sie herausbringen, vielleicht auch über Dinge, die sie sich aus den Fingern saugen. Ich verspreche Ihnen, nichts über das in meiner Zeitung zu bringen, was Sie mir jetzt erzählen werden.«
    »Gut, ich vertraue Ihnen. Ist sie hübsch?«
    »Wer? Anna van Straaten, Ihre Enkelin?«
    »Ja. Ich habe sie nie gesehen. Ist sie hübsch?«
    »Sehr hübsch. Sie hat wundervolle große graue Augen und...«
    »Die hat sie von meinem Sohn. Um seine Augen konnte ihn eine Frau beneiden.«
    »... und tief schwarzes, volles Haar.«
    »Von ihr! Von dieser Person! Von dieser hinterhältigen Italienerin! Der Teufel soll sie holen, sie ist an allem schuld, sie ganz allein! Was habe ich nicht alles versucht, um sie loszuwerden, was habe ich ihr nicht alles geboten! Aber nein, sie wollte Baronin van Straaten werden. Sie hat meinen Jungen verhext, als er sie kennenlernte, und obwohl er sonst immer auf mich gehört hat, war er plötzlich wie ausgewechselt. Er mußte sie heiraten, und er hat es getan, obwohl er genau wußte, daß er mich dann verliert.«
    In ihr versteinertes Gesicht war Leben gekommen. Ihre Lippen zuckten, ihre Augenlider flatterten, eine ungeheuer starke Erregung hatte sich ihrer bemächtigt.
    Aber auf einmal war alles vorbei. Ruhig, als habe sie niemals etwas erschüttert, fuhr sie fort:
    »Er hat seinen Willen durchgesetzt und Antonia Paola geheiratet. Von diesem Tag an betrat er mein Haus nicht mehr. Von dritter Seite erfuhr ich, daß sie eine Tochter bekommen hatten, die auf den Namen Anna getauft wurde. Aus der Zeitung erfuhr ich von seinem Selbstmord. Und ob Sie mir das glauben oder nicht — es hat mich nicht überrascht. Ich wußte vom ersten Augenblick an, daß diese Person meinen Jungen ruinieren würde, aber er hat es mir nicht glauben wollen. Nun mußte er dafür sterben. Für mich war es — nun, für mich war er ja schon vorher gestorben. Ich war nicht bei seiner Beerdigung.«
    »Baronin, Ihr Sohn war Inhaber einer Fabrik, der COLORAG. Ich habe in einem Bericht der Polizei gelesen, er habe in einem Anfall von Schwermut Gift genommen. Kann das die Wahrheit sein?«
    »Niemals! Dieses Biest hat ihn dazu getrieben. Sie hat ihn mit seinem Teilhaber betrogen. Zusammen haben sie ihm alles abgejagt, was er sich nach dem Krieg in harter Arbeit geschaffen hatte, und dann haben sie ihn in den Tod getrieben. Aber es war ja sein Wille gewesen. Er hat nicht auf mich gehört, als ich ihm alles so prophezeite, wie es dann auch gekommen ist.«
    »Also kannten Sie Ihre Schwieger... die Frau Ihres Sohnes sehr genau?«
    »Nein. Er hat sie mir nur einmal ins Haus gebracht, und das hat mir genügt. Eine größenwahnsinnige Bauerntochter, die...«
    »Eine Bauerntochter?«
    Sie schien über meine Unterbrechung unwillig zu sein.
    »Natürlich. Ich denke, das wissen Sie? Warum hätten Sie mir sonst neulich so betont zu verstehen gegeben, daß die alte Hilbinger tot ist?«
    »Die Frau Ihres Sohnes ist die Tochter der toten Anna Hilbinger?«
    »Ja. Eine Bauerntochter! Ihre Mutter war eine hergelaufene italienische Hure. Und die Tochter war nicht besser. Trotz des deutschen Vaters, der ein Trottel gewesen sein muß. Die Tochter hat meinen Sohn verführt, die Alte hat die beiden miteinander verkuppelt. Was weiß ich, wie sie es geschafft haben, daß er Antonia Paola geheiratet hat.«
    »Was ist aus Antonia Paola geworden?«
    »Keine Ahnung. Ist auch für mich völlig

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