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Das einsame Herz

Das einsame Herz

Titel: Das einsame Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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›Gaudeamus igitur‹ Das Lied der Burschenschaft.
    Die Kameraden. Na also …
    Fehlin lachte. Fehlin rannte. Rannte ihm sogar voran. Und so stießen sie endlich, lachend und außer Atem, die Türe des Schankraums auf.
    Da waren sie! Alle. – Da waren die geröteten Gesichter, lagen die Studenten-Mützen: Alemannen, die von ›Germania‹, das schwarz-rot-goldene Band um die Brust gespannt. Da blitzten die endlosen Reihen der Gläser durch den grauen Tabaksqualm, rannten die beiden Schankmädchen mit geröteten Gesichtern zwischen Bankreihen hin und her. Und da war auch Sartorius, der ihnen lachend, einen Bierhumpen in der Hand, entgegenkam: »Los, Brüder! Trinkt!«
    Und Otto Heinrich trank, trank mit zurückgebogener Kehle, als habe er nie etwas Köstlicheres über die Zunge rinnen gefühlt wie diesen prickelnden, braunen, schäumenden Gerstensaft.
    Die anderen johlten.
    Er wußte nicht, woher er den Mut nahm. Heiß war seine Stirn, sein Herz pochte, das Feuer glühte, in ihm sang es, und in einem Fieber, das stärker war als alles, was er je gespürt hatte, sprang er auf den Tisch, riß beide Arme hoch, sah sie an, hörte Sartorius': »Silentium! Unseren Dichter hat wieder mal die Muse geküßt.«
    »Nicht mich!« rief Kummer. »Einen Helden! Einen der großen deutschen Geister, die Tyrannei und Willkür außer Landes jagten – Heine!«
    Er griff in die Tasche. Er brauchte die Abschrift nicht zu lesen. Jedes Wort, jedes einzelne hatte sich ihm eingegraben. Aber er schwenkte sie wie eine Siegesstandarte: »Hier, sein letztes Gedicht! Alles, was uns, die wir mit dem Worte streiten, bewegt – hier ist es ausgedrückt.
    Deutscher Sänger! Sing und preise,
deutsche Freiheit, daß dein Lied
unserer Seelen sich bemeistere
und zu Taten uns begeistere.
    Girre nicht mehr wie ein Werther,
welcher nur für Lotten glüht,
was die Glocke hat geschlagen,
sollst du deinem Volke sagen,
redet, Dolche, redet, Schwerter!
    Sei nicht mehr die weiche Flöte,
das idyllische Gemüt,
sei des Vaterlands Posaune,
sei Kanone, sei Kartaune,
blase, schmettere, donnere, töte …«
    Ihre Blicke galten nur ihm. Und dann das jähe Schweigen, das sie alle ergriff. Und die Arme, die hochflogen, die Hände, die zu Fäusten sich ballten.
    Und der Chor, der wie ein Echo sein Herz ausfüllte:
    »… sei Kanone, sei Kartaune,
blase, schmettere, donnere, töte!«
    Kurz nach elf war es, als Kummer sich zusammen mit Hans Fehlin wieder auf den Weg nach Hause machte: Ein schwieriger Weg. Zwar hielt die Begeisterung, die die Versammlung des Bundes getragen hatte, noch an, ja, noch zitterte der Zorn in ihm, der sie gegen die Reaktion, gegen Presse-Zensur und Fürsten-Willkür vereinigte, aber der Treibstoff der Gefühle, das viele Bier machte sich unliebsam bemerksam. In Kummers Knien. Im unsicheren Gang. Die Humpen, die sie tranken, waren das Siegel der Brüderschaft gewesen. Nun aber …
    »Weiter links. – Hier rennst du doch gegen eine Mauer.« Fehlin stützte den Freund. Doch Otto Heinrich stolperte, und hätte Fehlin ihn nicht gehalten, wäre er gestürzt.
    »Bin das nicht gewohnt, Hans.«
    »Ja, richtig. Und deshalb mußtest du beweisen, daß du der größte Zecher bist.«
    »Ich bin nichts als ein Idiot, Hans.«
    »Du bist ein lieber Kerl. Und ein romantischer Schwärmgeist. – Aber beim Bier würde ich zu mehr Vorsicht raten.«
    »Beim Bier?«
    Der Mond hatte sich hinter dunkle Wolken verzogen. Das Wasser unten am Ufer rauschte leise und unbeteiligt an ihnen vorüber. Der Weg war nichts als ein graues Band, die Pappeln und Erlen drohende Schatten.
    »Wenn ich dich nicht hätte …« Dankbar umfaßte Otto Heinrich die Hand des Freundes. Hans Fehlin zog ihn weiter.
    Als sie endlich die Residenz-Brücke erreicht hatten, war es Otto Heinrich ein wenig besser. Ihre Absätze klangen auf dem harten Stein. Wo waren nur all die Visionen, die Träume von einer besseren, nein, einer neuen Welt? Vielleicht war es stets das gleiche. Vielleicht folgte auf jeden Überschwang die Ernüchterung, vielleicht folgte dem Traum von der großen Reform, nein, der Revolution stets der Absturz in die bittere Realität …
    Hinter ihnen klirrten Hufe, rumpelten Räder.
    Ein schwarzer, großer Wagen rollte vorüber. Die Männer, die das Gefährt begleiteten, trugen lange Stangen. Eine Wolke stechenden Gestanks hüllte nun alle ein, die einsamen Spaziergänger wie die Arbeiter, die die Latrinen der Stadt leerten.
    Der Eimerwagen.
    Hastig drehte sich Heinrich um. Seine Hände

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