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Das einsame Herz

Das einsame Herz

Titel: Das einsame Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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leugnen, daß auch Rom und Griechenland, Weltreiche wie die der Pharaonen und der Chinesen einfach untergingen und geschichtlich starben mit allen Werten ihrer hochentwickelten Kultur, weil sie von innen heraus verfaulten an der Trägheit einer sich von Fall zu Fall wandeln müssenden Anschauung des gemeinsamen Schicksalsraumes – eben der Welt!«
    Herr von Maltitz schwieg und fing mit der Hand spielerisch einige Wassertropfen auf, die von der Felsenquelle zu ihm emporspritzten. Otto Heinrich Kummer, der der Rede mit wachsendem Erstaunen und fiebernder Begeisterung gefolgt war, stieß nun den Stock in den Rasen und lief vor der Quelle hin und her.
    »Alles Worte, Worte – Herr von Maltitz! Sie dringen nicht tief genug in das Volk, um es aufzureißen. Ich habe mit meinem Vater schon einen Disput über dieses Thema gehabt. Er nannte mich einen billigen Schwätzer und drohte mir mit einer Verbannung, wenn ich in seinem Hause weiter solche Revolten anzünde.«
    »Ihr Herr Vater?« Maltitz betrachtete Kummer von der Seite und wiegte den Kopf. »Aus Dresden kommen Sie? Ich kenne in Dresden nur einen Kummer, der einen solchen Sohn hervorbringen könnte …«
    »Mein Vater ist Benjamin Kummer, der …«
    »Natürlich – der Münzmarschall!« rief laut lachend Herr von Maltitz. »Wie konnte ich nicht von Anfang an darauf kommen?!« Er trat an den jungen Apotheker heran und legte ihm die Hand auf die schmale Schulter. »Allerdings – bei einem solchen königstreuen Beamtenvater haben Sie es schwer, die neue Zeit zu proklamieren. Wer kennt in Dresden nicht den Münzmarschall Kummer! Man darf ihm seinen Patriotismus nicht verübeln. Ein Mann, als Mensch ebenso groß wie als Künstler, wuchs er in dieser strengen Atmosphäre auf und kann die Haut nicht wechseln, ohne sich selbst aufzugeben. Die Hochachtung des Alten und Erprobten ist der letzte Halt seiner Sittlichkeit als Beamter. Das ist selbstverständlich. Um so schwerer wiegt es, daß sein Sohn ein Sucher ist, ein Tastender, ein Rufer …«
    »Und ein Einsamer«, fiel Kummer ins Wort. »Ein grenzenlos Einsamer, Herr von Maltitz …«
    »Das sind wir alle, wir Glücksucher für die Menschheit. Oder kennen Sie einen Propheten, dem das eigene Volk zujubelt? Wie sagt doch Kleist? – Das Leben nennt der Derwisch eine Reise … Mein lieber Kummer, in dieser Kutsche sitzen wir nicht auf weichen Polstern!«
    »Aber manchmal wird es unendlich schwer, ein Ausgestoßener der Gemeinschaft zu sein.«
    »Es ist das Los aller Gladiatoren, ob in der Arena oder auf dem schlüpfrigen Pflaster der Politik. Das ›Ave, Imperator, morituri te salutant‹ wird unsterblich sein, wie das ›ecce homo‹ des Christentums! Daran müssen Sie sich gewöhnen, junger Freund – man kann nur Großes schaffen, wenn man Feinde hat, die einen zur doppelten Kraft anspornen. Und allein an der Masse der Gegner erkennt man, wie weit oder wie nahe man dem Ziele ist. Wenn eine ganze Welt gegen einen steht, kann man sicher sein, den Sieg bald errungen zu haben. Das ist das merkwürdige Gesetz dieses kosmischen Planeten: eine Größe wird erst groß durch Verdammnis!«
    Mit einem resignierenden Achselzucken bedeutete Maltitz, daß er das Thema für beendet betrachtete, und wandte sich ab, hinab ins Tal nach Augustusburg zu gehen.
    »Ich darf Sie doch für den heutigen Tag als meinen Gast betrachten, Herr Kummer«, sagte er, und als er sah, daß der Apotheker zögerte, machte er eine wegwischende Handbewegung und fügte seiner Einladung hinzu: »Mir schwant, daß wir manches noch zu bereden und uns noch von mancher Seite zu beschnuppern haben. Das kann am tröstlichsten geschehen bei einer Flasche Wein und einem dicken Kotelett.« Und mit einem dionysischen Lächeln zwinkerte er Otto Heinrich zu. »Merken Sie sich eins, junger Freund – man darf über alle Ideale nicht die schönste aller Realitäten vergessen: das Essen!«
    Lachend und in angeregtem Gespräch stiegen sie den Burgberg hinab und kletterten auf steilen Bergwegen durch dichte Tannen hinunter in die Stadt, überquerten das Flüßchen auf einer mäßig geschwungenen Steinbrücke und schritten durch die schmucke Hauptstraße dem Hause des mit alten Sprüchen verzierten Ratskellers zu.
    Dort trafen sie ein, suchten sich einen Tisch in einer der holzgetäfelten Ecken, bestellten bei der drallen Kellnerin einen halben Liter Wein und zündeten ihre Pfeifen an, es sich in dem behaglichen Raum gemütlich zu machen.
    Als der Wein in einer Karaffe auf dem

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