Das einsame Herz
schlechtesten Bünde, die zwischen Überschwang und Bedacht geschlossen werden. Lassen Sie uns das kleine Fest feiern und unter der Burg eines der Tyrannen mit kräftiger Lunge unseren neuen Kommers singen!«
Mit einem Schwung schob er die Karaffe zur Seite, klopfte mit dem Pfeifenkopf auf die Tischplatte und rief:
»He – Bedienung!« Und als sich der Kopf der Kellnerin hinter der Theke zeigte, lachte er. »Holdes Wesen – fahrt Wein und guten Brand auf! Laßt Euch nicht lumpen mit Eurem Keller – heran, wir sind durstig und haben einen sonnigen Tag zu feiern!«
Nachdem der Wein in verstaubten Flaschen aus dem Keller auf den Tisch getragen war, begann eine lustige Becherei, die Maltitz mit schnurrigen Versen und Erzählungen zu würzen verstand. Der Abend war unterdessen hereingebrochen, und der Ratskeller füllte sich mit den biederen Augustusburger Bürgern, denen die lustige Gruppe in der Ecke auffiel und ein wenig Neid erweckte beim Anblick der bestaubten Flaschen.
So füllte sich der Raum mehr und mehr, dichter Tabaksqualm nebelte bald die weite Sicht ein, bis es schier unmöglich war, die Theke aus der Ecke noch zu erkennen, während die Stimmen lauter und die Bewegungen schwerer wurden, denn der Ratswirt zapfte einen guten, gegorenen Tropfen und einen höllischen Brand.
»Die Bürger von Augustusburg mögen leben!« rief Herr von Maltitz plötzlich laut in den Raum hinein. Und als sich alle Köpfe wie an einem Zugband zu ihm umwandten, hob er sein Glas und prostete ihnen zu.
»Beim guten Wein läßt sich's gut leben!« rief eine Stimme aus der Menge, und helles Gelächter flatterte auf.
»Der Wein ist für jeden!« rief Maltitz zurück. »Wer mein Freund ist, komme heran und trinke mit uns! Wer aber ein blöder Spießer ist, der verlasse den Keller!«
Ein Bürger will nie ein Spießer genannt werden, wie es ja überhaupt wenige Leute gibt, die ihren richtigen Namen zu schätzen wissen. So kamen denn auch etliche Ehrenmänner an die Ecke heran, schoben ihren Stuhl an den Tisch der beiden und griffen ungeniert zum Weine. Selbst der Bürgermeister von Augustusburg, der sonst streng auf die Wahrung der Distanz sah, ließ sich die Chance nicht entgehen, einen sonst nur im Traum erahnten Tropfen aus der Flasche zu genießen, und rückte keck neben den Herrn von Maltitz, der sich, der Ehre nicht bewußt, bezecht an ihn lehnte.
»Meine Freunde!« hob er zu sprechen an. »Wir sind zwei fahrende Gesellen. Scholaren der Politik, Magister des Wortes und Famuli bei den Künsten der Musen!« Er zeigte auf Otto Heinrich Kummer und klopfte dem leicht Schwankenden auf die Schulter. »Mein junger Freund hier ist ein Dichter. Vor einer Stunde hat er mir's gestanden! Wohlan, Kollege – eine Probe wollen diese Herren hören!« Und als sich Kummer sträubte, hieb Maltitz die Faust auf den Tisch und schrie: »Ist keiner unter euch, der diesen Dichter bittet, uns zu erfrischen?!«
Während die Freunde noch miteinander verhandelten, wer zuerst auf den Tisch steigen solle und seine Verse vortrage, trug der Ratswirt Krug um Krug in die nun weite Runde und trug mit ihnen eine dicke Trunkenheit in die Gehirne der vergnügten Zecher.
»Zuerst der Junge!« rief der Bürgermeister.
»Siehst du«, sagte Herr von Maltitz. »Der Bürgermeister sagt es auch!«
»Was soll ich denn deklamieren!« rief der junge Kummer. »Ich habe doch nur ernste Lieder!«
»Was, ernst?!« Ein dicker Mann – es war der Schmied – donnerte seine Stimme durch den Qualm. »Ein Trinklied, Bürschchen, oder ich hole den Amboß und schlage so lange den Takt, bis dir ein Verschen kommt!«
»Ein Trinklied!« johlte die Menge. »Ein Trinklied!«
Und Maltitz stand schwankend auf, zerrte Kummer mit sich empor und schrie: »Ein Trinklied! Ein Trinklied!«
Ehe es sich der Jüngling versah, stand er schon auf dem Tisch, umringt von einer johlenden, rauschenden, trunkenen Menge, von dicken, glänzenden Gesichtern, wässerigen Augen und blauen Nasen, fleischigen Händen und dröhnenden Stimmen. Und während er sich noch besann, sammelten sich die Stimmen zu einem grölenden Chor und brüllten:
»Ein Trinklied! Hussei! Ein Trinklied! Ein Trinkliiiied!«
Da hob Kummer die Hand. Von irgendwoher warf man ihm eine Laute in den Arm, er preßte sie an seine Brust, schlug die Saiten laut zu einem Akkord und begann dann, so, wie ihm die Verse wie ein Kobold in den Mund sprangen, zu singen:
»Freunde, laßt uns heut vergessen,
was im Herz uns schmerzhaft
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