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Das einzig glueckliche Ende einer Liebesgeschichte ist ein Unfall

Das einzig glueckliche Ende einer Liebesgeschichte ist ein Unfall

Titel: Das einzig glueckliche Ende einer Liebesgeschichte ist ein Unfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joao Paulo Cuenca
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beginnen bereits die Gehwege zu bevölkern, die Aufzüge speien die letzten Gäste der Clubs aus. Allmählich erobert eine aus dem weißen Licht der Sonne gestanzte Linie den Boden.
    Ich warte auf dem Bürgersteig gegenüber auf Iulana Romiszowska. Die kalte Luft kommt in kleinen weißen Wölkchen aus meinem Mund. Als rauchte ich Kälte.
    Mit dem heraufziehenden Morgen verzweigt sich mein Leben. Die eine Version geht normal weiter, steigt in ein Taxi, ich fahre nach Hause, schlafe drei Stunden, dusche kalt und gehe ins Büro, öffne dort eine Schublade und nehme zwei Tabletten gegen die Kopfschmerzen. Vor dem Büro könnte ich mir auch die Fahrt mit dem Taxi ersparen und mir die paar Stunden Schlaf in einem Kapselhotel hier in Kabukichō oder auf dem privaten Sofa eines Cybercafés holen.
    Der Weg, den ich einschlagen muss, ist jedoch ein anderer.
    Eine Art Loslassen – ab einem bestimmten Moment an diesem Morgen, einem Moment, den ich niemals genau werde bestimmen können, höre ich auf, der zu sein, der ich war. Die Schuld an dieser Verwandlung gebe ich Iulana Romiszowska, noch bevor ich sie wirklich kennengelernt habe.
    Die automatische Stahltür teilt sich in zwei Hälften und die Frau, die Misako nachfolgen wird, tritt auf die Straße. Sie geht auf mich zu. Als gäbe es plötzlich wieder eine Art Zukunft.
    „Was machst du hier?“
    Ich sage:
    „Auf dich warten.“
    „Ich bin keine Hure“, sagt sie und geht weiter.
    „Darf ich dich auf einen Kaffee einladen?“
    „Wenn du bezahlst.“
    Wir, Iulana Romiszowska und ich, betreten eine ordinäre Imitation eines Dunkin’ Donuts in der Nähe der Shinjuku-Station. Sie bestellt ein Croissant und einen doppelten Espresso und verschlingt alles hastig wie ein hungriges Tier. Wir frühstücken neben einer Gruppe hysterischer Teenager mit Taschen von Louis Vuitton, Fendi, Gucci und Prada, all diesem dekadenten europäischen Müll am Körper, alle unglaublich geschminkt und Misako sehr ähnlich – und ganz anders als Iulana Romiszowska.
    Trotz unseres langen Schweigens, unterbrochen lediglich von einigen spärlichen Dialogen auf Englisch, fühlen wir uns merkwürdig wohl, wie zwei alte Fischhändler, die Tee trinken. Zwischen kurzen Sätzen und unbeantworteten Fragen sagt Iulana Romiszowska, sie würde gerne in den Zoo gehen, um den Pandabär zu sehen, schon seit sie vor sechs Monaten aus Rumänien hergekommen ist. Wir verabreden, zusammen in den Zoo von Ueno zu gehen, obwohl ich diesen Panda und die landesweite Begeisterung für ihn ziemlich idiotisch finde.
    („Pandabär geboren! Staunen Sie über das Pandababy!“ Und das nur, weil die Pandas sich zieren, Nachwuchs zu produzieren … Ich bin nicht so der ökologische Typ, von mir aus könnten sie, wenn sie partout keine Lust auf Sex haben, einfach von diesem Planeten verschwinden.)
    Iulana Romiszowska übt eine angenehme Macht auf mich aus, also versuche ich, so weit als möglich, sie mit meinen Ansichten zu verschonen.
    Allerdings bin ich dazu nicht in der Lage, wenn die Lautsprecher der ordinären Dunkin’-Donuts-Imitation von Shinjuku beginnen, ein Stück des brasilianischen Musikers João Gilberto zu spielen. Ich mag den brasilianischen Musiker João Gilberto und sage das zu der Frau, die Misako nachfolgen sollte, denn einen Musiker zu mögen, der kein Popsänger ist – so was macht Eindruck bei der ersten Begegnung mit einer Frau, zumal wenn sie Ausländerin ist und nicht so dumm wie Misako oder die Mädchen, die ihr ähnlich sehen und am Nebentisch sitzen.
    „Ich habe einige Schallplatten des brasilianischen Musikers João Gilberto zu Hause.“
    „Kannst du verstehen, was er singt?“
    „Nein. Aber ich glaube, das ist auch nicht nötig.“
    „Wieso?“
    „Verstehst du vielleicht, was hier auf der Straße gesprochen wird?“
    „…“
    „Na also. Ich mag das Asketische an der Musik von João Gilberto, auch wenn ich absolut nichts von dem verstehe, was er singt.“
    Ich schließe die Augen, zufrieden mit meinen Worten („das Asketische an der Musik“, wo ich das wohl herhabe?), lasse den Kopf auf die Sofalehne sinken und schweige. Der Kaffee dringt kreisend in alles, was sich in meinem Körpers befindet. Die dummen Mädchen mit den Pyramidenfrisuren, die aussehen wie Misako, lachen laut, dann stehen sie auf und treten hinaus und aus unserem Leben. Wir sind allein. Der brasilianische Musiker singt weiter aus der Lautsprecheranlage. Ich stelle mir vor, wie meine Hand sich über den Tisch in Richtung

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