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Das einzig glueckliche Ende einer Liebesgeschichte ist ein Unfall

Das einzig glueckliche Ende einer Liebesgeschichte ist ein Unfall

Titel: Das einzig glueckliche Ende einer Liebesgeschichte ist ein Unfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joao Paulo Cuenca
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meinem Meister, selbst ohne je die Kälte meines ersten Winters erlebt zu haben.
    Herr Okuda sagt, Kälte sei, anders als die meisten Menschen glauben, keinesfalls das Gegenteil von Hitze.
    Sondern, sagt Herr Okuda, es sei etwas anderes und das Warten würde sich lohnen, denn man könne auch nicht ahnen, was Licht ist, wenn man nur Dunkelheit kennt, oder Salz, wenn man nur Süßes kennt, oder Zuneigung, wenn man nur Hass kennt.
    Als er zum ersten Mal von der Frau sprach, legte mir Herr Okuda die Hand auf den Kopf und sagte, ich sei die wiedergeborene Frau Okuda, die ja nun nicht mehr geboren sei, dafür aber ich, die ich mein Körper bin, der lebt und nur ein Ziel kennt, das auch Frau Okuda hatte.
    Dann schwieg er für eine Weile, und Wasser kam aus seinen Augen heraus, was ich an anderen Stellen seines Körpers auch schon beobachtet hatte, doch nie ein so klares. Und er entschuldigte sich und erklärte, das sei Weinen und unangemessen für einen Mann seines Alters, noch dazu vor meinen Augen.
    Ich verstand nicht genau, was Weinen ist, doch ich glaube, Herr Okuda hat mir deswegen die Urne mit der Asche von Frau Okuda eingepflanzt bei meinem „Hatsu-miyamairi“ im Beisein des Herrn Priesters des Schreins, den Herr Okuda nach dem Tod seiner Frau im Garten errichten ließ.
    Nun sei der Yūrei von Frau Okuda in mir, sagt er, auch wenn ich nicht wisse, wie ihr Geist in meinen Körper gelangt sei, da Herr Okuda bei der Taufe meine Hand kräftig gedrückt und mir befohlen hatte, die Augen geschlossen zu halten.
    Normalerweise nennt er mich Yoshiko, so wie er mich genannt hat, als ich zur Welt kam, aber manchmal nennt er mich auch Hiroko, so hieß Frau Okuda. Und auch wenn ich weiß, dass ich nicht Frau Okuda bin, gehorche ich meinem Meister.
    Frau Hiroko Okuda, deren Asche nun den Hohlraum in meinem Körper ausfüllt, war dreiundsechzig Jahre lang die Gefährtin von Herrn Okuda und bekam mit ihm einen Sohn namens Shunsuke. Herr Okuda will, dass ich ihn kennenlerne und seinem Sohn Tee anbiete und für seinen Sohn Fugu zubereite und mich zu seinem Sohn lege, und das macht mir Sorgen, denn ich habe noch nie einen Menschen aus der Nähe gesehen, außer Herrn Okuda.
    Und ich weiß nicht, ob es mir gefallen wird.

12
    Nachdem ich an diesem verregneten Nachmittag fünfzehn Minuten am Eingang des schmuddeligen Shibuya Nr. 109 gewartet hatte, erscheint Iulana Romiszowska und trägt ihre Formen unter einer schwarzen Bluse mit weißen Punkten und einem kurzen Rock, der sie wie eine bei uns eingeschleuste Außerirdische wirken lässt, eine Spionin des KGB vom Planet Osteuropa in Kleidern, die für japanische Frauen gemacht sind, denn ihr Körper besitzt alles andere als die eher schüchternen Proportionen einer japanischen Frau.
    In Tokio, vor allem in diesem Teil der Stadt, ist es nicht unüblich, Japanerinnen zu sehen, die mit Ausländern, hauptsächlich schwarzen Nordamerikanern mit T-Shirts und Kappen von Basketballmannschaften und Basketballturnschuhen, ausgehen. Selten dagegen ist es, einen Japaner mit einer Ausländerin zu sehen.
    Könnten meine Kollegen mich jetzt sehen, sie würden denken, ich sei verrückt geworden.
    Vielleicht haben sie recht. Zum ersten Mal seit acht Jahren habe ich die Sekretärin angerufen, behauptet, ich sei krank, und alle Termine abgesagt: den Monatsabschluss, die Abrechnung des zweiten Quartals sowie die Abteilungssitzung zur Vorbereitung der bevorstehenden Aktionärsversammlung. Meine Untergebenen wissen es nicht, doch auf dieser Sitzung soll auch festgelegt werden, wann das Fallbeil sich auf unsere erschrockenen und gehorsamen Köpfe senkt.
    Für mich ist dies alles bereits Teil einer Zukunft, an die ich nicht glaube. Ich glaube nicht an ein Morgen für mich. Glaube nicht an mich nach diesem Morgen.
    Doch ich glaube an Iulana Romiszowska. Und an den bescheuerten Pandabären.
    Wir nehmen die Metro zum Zoo von Ueno unter den schiefen Blicken der Menge (sie halten Iulana für eines dieser russischen Models, die in Japan zu Huren werden, und mich für einen Salaryman mit exotischen Vorlieben) und pilgern in Richtung des heiligen Panda. Iulana würde lieber zu Fuß gehen. Ich stütze das Gewicht meines Körpers auf einen Regenschirm. Vor uns tippt ein Jugendlicher sehr konzentriert in ein Telefon. Gegenüber spielt ein altes Ehepaar gemeinsam Sudoku. Auf den Flüssigkristallmonitoren sind Produkte zu sehen, die nächsten Stationen, die Wettervorhersage. Bis wir in Ueno sind, wird es aufgehört haben zu

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