Das einzige Kind
gefunden, den er vor sich auf den Tisch legte und dann zu Vestavik hinüberschob.
Der war zwar schon blaß, aber Billy T. hätte schwören können, daß er noch eine Spur fahler wurde.
»Wo haben Sie das her?« fragte er schroff und schob den Bogen nach einem kurzen Blick wieder zurück.
»Aber Vestavik! Das sind öffentlich zugängliche
Informationen. Einwohnermeldeamt, Handelskammer, es gibt doch so viele Arten von Registern.« Er breitete die langen Arme aus. »Wir sind eine Behörde. Wir bekommen, was wir brauchen.«
Der Bogen besagte, daß Gregusson Herrenmoden, wo Agnes Vestaviks Mann Geschäftsführer war, ein ausgesprochen solides Familienunternehmen darstellte. Familienunternehmen bedeutete im Klartext, daß das Geschäft alleiniger Besitz von Agnes Vestavik, geborene Gregusson war. Sie hatte keine 81
Geschwister, und nach dem Tod ihres Vaters im Jahre 1989
waren alle Anteile in ihren Besitz übergegangen. Obwohl der Vater als gläubiger und frommer Mann in seinem Testament keine Bedingungen festgelegt hatte, hatte Agnes auf den freundlichen Rat des Familienanwalts hin Gütertrennung durchgesetzt. Man wußte schließlich nie. Das Geschäft brachte einen sehr guten Jahresertrag, doch das Gehalt des Geschäftsführers war seit acht Jahren nicht erhöht worden. Und umwerfend hoch war es nicht.
»Genau. Das war niemals ein Geheimnis«, sagte Herr Vestavik mürrisch. »Meine Stellung wäre mir auch bei einer Scheidung sicher gewesen. Dafür gibt es hierzulande schließlich Gesetze.«
»Ihre Stellung, ja«, sagte Billy T. ruhig. »Aber das Haus hat ihr doch auch gehört. Das Elternhaus Ihrer Frau, nicht wahr?«
Es wurde ganz still im Zimmer. Vom Flur drangen leise Stimmen und Lachen herein, durch das Fenster konnten sie hören, wie ein frisch entlassener Festgenommener alles und alle und vor allem die uniformierte Polizei mit Verwünschungen überschüttete. Das leise Summen des PC schien lauter zu werden.
»Sie glauben also, ich hätte sie umgebracht«, sagte endlich der Witwer und richtete einen vor Wut zitternden Zeigefinger auf Billy T. »Wegen des Hauses soll ich die Frau umgebracht haben, mit der ich seit dreiundzwanzig Jahren verheiratet war.
Die Mutter meiner Kinder. Wegen des Hauses!«
Wütend beugte er sich vor und schlug mit der Faust auf die Tischplatte. Er schien nicht so recht zu wissen, ob er aufspringen oder sitzen bleiben sollte. Am Ende saß er ganz am Rande der Stuhlkante, wie auf dem Sprung.
»Ich glaube gar nichts, Vestavik. Ich behaupte auch nichts. Ich weise nur auf einige Umstände hin, die so interessant sind, daß wir sie nicht außer acht lassen können. Es geht hier nicht nur um das Haus. Das Geschäft wirft beträchtliche Einnahmen ab, und 82
die hat Agnes im Laufe dieser Ehe angehäuft. Die Wahrheit ist wohl, daß Ihnen kein Hosenknopf gehört. Genauer gesagt: Ihnen gehörte kein Hosenknopf. Ich gehe davon aus, daß Sie Universalerbe sind? Soviel wir wissen, gibt es kein Testament.
Stimmt das?«
Wieder fischte der Mann sein Taschentuch hervor, und diesmal behandelte er es viel weniger schonend. Seine Fingerknöchel traten weiß hervor, als er das Stoffstück umklammerte.
»Selbstverständlich gibt es kein Testament. Niemand hatte mit Agnes’ Tod gerechnet. Und wir wollten uns auch nicht scheiden lassen.«
Plötzlich erkannte er die Logik dieser Aussage und fügte eifrig hinzu: »Genau! Sie hatte kein Testament gemacht. Das beweist doch, daß mit unserer Ehe alles in Ordnung war. Daß eine Scheidung nicht in Sicht war zumindest. Wenn sie
Scheidungspläne gehegt hätte, dann hätte sie doch verhindert, daß mir alles zufällt. Und außerdem irren Sie sich.«
Er brach ab und schien kurz zu zögern, ehe er seine Trumpfkarte auf den Tisch knallte.
»Ich bin durchaus nicht Universalerbe. Alles geht zu gleichen Teilen an mich und die Kinder.«
»Aber Ihre Kinder werfen Sie nicht aus dem Haus, oder?«
fragte Billy T. spöttisch, stemmte die Handflächen auf den Tisch und beugte sich zu seinem Gegenüber vor.
Diese Bemerkung war nur zum Teil Ergebnis seines Ärgers darüber, daß er sich geirrt hatte.
Es wurde mehrmals hart an die Tür geklopft. Der Witwer fuhr zusammen und ließ sich in seinem Sessel zurücksinken. Hanne Wilhelmsen trat ein, reichte ihm die Hand und stellte sich vor.
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»Das mit Ihrer Frau ist wirklich schrecklich«, sagte sie teilnahmsvoll. »Wir werden alles tun, um diese Sache zu klären.«
»Dann sollten Sie anderswo suchen als in der
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