Das Ekel von Datteln
Morgen in einem Hotelbett erwachte, war er engagiert. Wozu, merkte er erst, als er seine Koffer nicht direkt über den PEGASUS-Büros in Susannes Wohnung, sondern noch eine Etage höher, in einem notdürftig ausgebauten Dachboden, abstellen durfte. Sooft er auch seitdem mit geklautem Calvados und anderen Weichspülern bei Susanne vorsprach – von seinen Fähigkeiten als Reporter hielt sie ohne Zweifel mehr.
Magers Anruf kam, als er gerade seine Yucca-Palmen umtopfte und sich darüber den Kopf zerbrach, mit wem er sich am Abend im Fletch Bizzel eine esoterische Pantomime ansehen sollte. Seine Freude, in diesem Moment die Stimme seines Vize-Chefs zu hören, war unbeschreiblich.
»Hör zu, Saale«, erklärte Mager. »Roggenkemper hat gerade ein paar Demonstranten zusammenknüppeln lassen – und PEGASUS hat das auf Video. Du tust jetzt zweierlei: Zuerst jagst du die Tussi aus Bochum her, damit sie die Kassette abholt. Dann telefonierst du dir die Finger wund, um das Band zu verkaufen. Am besten noch für die Aktuelle Stunde heute Abend …«
»Mensch, du spinnst doch. Studio Dortmund nimmt grundsätzlich keine fremde Ware …«
»Dann versuchst du es direkt in Köln. Rohmaterial, acht bis zehn Minuten, O-Ton. Aber unter tausend geht das Ding nicht weg!«
»Und was sagt Susanne …«
»Du hast gehört, was ich sage. Und jetzt schreib auf, wo die Tussi mich findet …«
Mager warf den Hörer auf die Gabel, ließ sich auf den Kippsessel des Verkaufschefs sinken und kramte nach seinen Zigaretten. Die Knüppelorgie hatte er mit einer Abgebrühtheit gefilmt, die er sich nicht zugetraut hatte. Aber jetzt zitterten ihm die Knie.
»Sie können hier nicht sitzen bleiben«, sagte der Alte, der die ganze Zeit zugehört hatte.
»Ich weiß«, sagte Mager. »Aber gib mir erst mal einen Schnaps.«
Der Mann zögerte. Dann öffnete er einen Schrank und eine Flasche Remy Martin.
11
Zum Recherche Bijstands Team der Provinz Friesland, einer ständigen Sonderkommission zur Aufklärung von Kapitalverbrechen, gehören rund vierzig Polizistinnen und Polizisten. Gut die Hälfte von ihnen hatte de Jong auf die Insel beordern lassen. Wegen der Großaktion im Hafen hatte die Fähre neunzig Minuten Verspätung, sodass alle bis zur Abfahrt in Harlingen eintrafen. Der Rest saß in Bereitschaft oder half dabei, die Aussagen der Passagiere auszuwerten – immerhin waren sechs Gäste aus dem Albatros darunter.
Gegen 18.00 Uhr fand sich de Jongs Truppe zusammen mit den Kriminaltechnikern im Rathaus ein – die Wache wäre für diese Versammlung zu klein gewesen. Die meisten, schien es Hoekstra, hatten den Ärger über das verkorkste Wochenende schon auf See verdaut. Jedenfalls hörten sie konzentriert zu, als der Major die Lage schilderte.
Fragen gab es kaum. Alkema fuhr eine Beamtin zum Lutinelaan, damit sie Bakker die Fingerabdrücke abnehmen konnte, während ihre Kollegen auf direktem Wege zum Hotel wanderten, um im Zimmer der Ermordeten das Unterste nach oben zu kehren.
»Und nun zu euch«, wandte sich de Jong an die Leute der Taktischen Recherche. Er ließ die Reproduktionen des Passfotos verteilen.
»Ich will ein lückenloses Protokoll über jeden Schritt, den die Frau hier getan hat. Wann war sie wo – und was hat sie da gesagt und getan? Der Oberwachtmeister dort« – alle drehten sich zu Hoekstra um – »kennt sich aus. Er wird euch bei der Aufteilung der Gebiete helfen, die ihr abklappern müsst …«
Eine Viertelstunde später waren die Männer und Frauen unterwegs. Auch Hoekstra wollte los, um nach den Posten zu sehen, aber der Major hielt ihn fest: »Warten Sie … Was halten Sie von unserem Freund?«
Der Oberwachtmeister hob die Augenbrauen: »Gerrit? Ich kenne ihn, seit ich auf der Insel bin. Schürzenjäger? Ja. Mörder? Nein …«
»Wieso sind Sie so sicher?«
»Weil er kein Mörder ist …«
De Jong verzog das Gesicht: »Das ist keiner von unseren Kunden. Bis auf das eine Mal, das sie hinter Gitter bringt. Meistens, jedenfalls …«
»Aber es gibt genügend Leute, denen auch das eine Mal nicht passiert«, widersprach der Oberwachtmeister. »Was ist mit dem Motiv? Warum sollte er eine Frau umbringen, mit der er noch ein paar Nächte verbringen konnte?«
»Konnte er? Vielleicht hat sie ihn mit Spott und Hohn vor die Tür gesetzt, weil er nach zwei Stunden nicht mehr ganz so frisch war? Und er fand das gar nicht so gut?«
»Ich weiß nicht«, gestand Hoekstra. Mit dem Daumen kratzte er sich durch die
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