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Das Ekel von Datteln

Das Ekel von Datteln

Titel: Das Ekel von Datteln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo P. Reinhard; Ard Junge
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Wo ist der verschwundene Schlüssel?«
    »Weiß ich auch nicht«, gab de Jong zu. »Ihr werdet morgen noch mal den Weg hinter dem Hotel nach Spuren absuchen und überall herumfragen müssen, ob jemand gesehen worden ist.«
    Alle nickten. Da meldete sich Hoekstra zu Wort.
    »Bitte …«
    »Ich weiß nicht, ob das wichtig ist. Aber ich habe mir vorhin die Sachen der Toten angeschaut.«
    »Und?«
    »Sie hat eine Menge Kram mit, den man bei einer Frau in ihrem Alter vermutet. Aber etwas fehlt: Ein Wohnungsschlüssel …«
    Schweigen. De Jong schaute zu den Tatortspezialisten hinüber, die blickten auf ihre Listen, nickten.
    Einige Sekunden vergingen.
    »Die können aber auch in ihrem Wagen liegen«, meldete sich jemand.
    »Und wo steht der?«, fragte de Jong.
    »In der Handtasche ist eine Quittung …«
    Der kahle Gehilfe des Majors sprang auf und rannte nach nebenan. Zwei Minuten vergingen, dann kam er zurück: »In einer Touristengarage …«
    »Also los!«, befahl de Jong. »Ruft in Harlingen an: Die sollen den Besitzer auftreiben oder sonst wie in den Wagen kommen …«
    »Und wenn der Schlüssel nicht im Auto ist?«
    »Dann kriegen die Deutschen den Fall.«

14
     
     
    Sonnenbrille wusste, wonach deutsche Herzen dürsten. Er spulte das ganze Repertoire herunter, dem WDR IV seine Existenz verdankt, und das Publikum schluchzte in Dankbarkeit mit. Harte Männer fühlten ein unbekanntes Zittern in den Kehlen, und den Frauen wurden die Knie weich.
    Als Heinos Klampfe die ersten Takte der Bergvagabunden intonierte, geriet auch das Blut des Bürgermeisters in Wallung. Mit nasser Pupille und wunder Seele lauschte er dem Hohelied deutscher Männertreue und zerfloss in Erinnerungen, die er gern gehabt hätte.
    In diesem Augenblick pflügte ein Kleiderschrank von Kerl durch die Reihen und steuerte auf den Prominententisch zu: Ein Schädel wie ein Hauklotz, Schultern breit wie ein Kohlenflöz, Hände wie Pannschüppen. Sein Gesicht glühte, sodass jeder Arzt auf die Sekunde vor dem Herzanfall getippt hätte. Der Mann hieß Schatulla und war im Kreis Recklinghausen fast so bekannt wie der Fürst von Datteln.
    Vor 18 Jahren hatte der Bulle noch auf der Zeche Emscher-Lippe Kohle gebrochen. Dann wurde im Stadtverband ihrer Partei über den Nachfolger des verstorbenen Bürgermeisters abgestimmt: Der Hauer brachte seinen Ortsverein geschlossen auf die Seite Roggenkempers. Damit entschied er die Wahl. Ein Jahr später tauschte er seinen Abbauhammer gegen einen Füller mit Goldfeder ein und wurde Landrat …
    »Gerd«, brüllte der Bulle mitten in den Schlussapplaus und wuchtete seine Tatze auf die Schulter des Bürgermeisters. »Der Krawall am Kanal war schon im Fernsehen …«
    Es war, als hätte man einen schlafenden Köter mit Eiswasser übergossen. Roggenkemper fuhr hoch, das Blut erstarrte ihm in den Adern. Dann zischte er: »Genauer!«
    »Mein Sohn ist gerade gekommen. Kurz vor acht war die Sache im Fernsehen. Drittes Programm. Die haben ausführlich gezeigt, was heute am Kanal passiert ist. Dich hatten sie in der Mangel, weil du Erich den Einsatzbefehl gegeben hättest. Unglaublicher Skandal, Verstoß gegen das Polizeigesetz – der übliche Stuss …«
    »Danke, Jupp! Setz dich wieder hin. Ich kläre das gleich …«
    Schatulla verzog sich zögernd, noch immer zornrot im Gesicht. Roggenkemper setzte sich, nippte scheinbar gleichgültig an seinem Sektglas und richtete seine Augen wieder auf die Bühne.
    Beatrix Puth beugte sich über den Tisch und sah den Bürgermeister forschend an: »Ärger?«
    »Ach was. Latrinenparolen …«
     
    Mager bekam von dem Intermezzo nichts mit. Nachdem er einige bewegte Bilder von dem bebrillten Barden aufgenommen hatte, stand er wieder mit Gellermann an der Sektbar. Gemeinsam lästerten sie über den Musikgeschmack des deutschen Kleinbürgers. Nach dem dritten Glas ertappte sich Mager dabei, dass er den Menschen allmählich sympathisch fand. Er ließ den Sekt stehen und stieg auf Mineralwasser um.
    Minuten später begann Sonnenbrille, über die Pest zu jammern, die ihn ausgerechnet vor Madagaskar ereilt hatte. Mager griff zu Kamera und Rekorder und machte sich auf den Weg nach vorn: Die gesungene Krankenstandsmeldung war, wie ihm ein Kuli aus dem Tross des Blonden erzählt hatte, die unwiderruflich letzte Zugabe. Kaum war der Titel verklungen, fegte Roggenkemper mit einem Dutzend weißer Rosen auf die Bühne. Hand in Hand hielten sie den Strauß in die Luft – zwei Preisboxer nach einem

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