Das Ekel von Datteln
Weltmeisterschaftskampf. Aus den Augenwinkeln kontrollierte der Bürgermeister, ob Mager auf Posten stand und die Szene aufs Magnetband bannte.
Gemeinsam mit dem Sänger verschwand der Kanalvogt durch den Hintereingang, um dem Kameramann aufzulauern. Die Erste, die ihm vor die Mündung lief, war Susanne, die gerade den Lada aufschließen wollte.
»Gut, dass ich dich sehe, Mädchen!«
Er packte sie am Handgelenk und drückte sie gegen den Wagen.
»Wie kommt das Fernsehen an den Film?«
»Was für ’n Film und was für ’n Fernsehen?«, fauchte die Blonde und versuchte, ihren Arm aus der Klammer zu befreien.
»Willst du mich vereimern? Von der Polizeiaktion am Kanal natürlich!«
»Und was war damit?«
»Irgendein Schweinehund hat die Sache aufgenommen und auf den Sender gebracht. Wer – wenn nicht ihr?«
»Sie sind ja nicht bei Trost!« Sie begann zu lachen. »Wir haben Datteln gar nicht verlassen …«
Mager erschien, mit Kamera und Rekorder bepackt.
»Holla – intimes Beisammensein?«
Susanne erklärte es ihm.
»Wir?«, staunte Mager. »Tinnef!«
Er öffnete den Aufnahme-Rekorder, nahm die Kassette heraus und hielt sie Roggenkemper entgegen.
»Können Sie mitnehmen und kontrollieren. Da ist alles drauf, was wir heute aufgenommen haben. Aber passen Sie auf, dass Sie nichts löschen! Wenn Sie Pech haben, ist gerade die Werbung mit dem NATO-Image im Arsch …«
Der Blick des Bürgermeisters pendelte zwischen der Video-Kassette und den PEGASUS-Leuten.
»Herr Roggenkemper!«, stieß Susanne nach. »Am Kanal sind ein paar Dutzend Leute mit Kameras rumgelaufen. Was meinen Sie, wie viele von den Dingern es allein in Datteln gibt?«
»Erzähl mir nichts! Wie kann denn so ’n Otto Normalverbraucher ein Video ans Fernsehen verscheuern? In der kurzen Zeit? Der hat doch überhaupt keine Verbindungen!«
»Stimmt!«, nickte Mager. »Da ist was dran …«
Die Blonde starrte ihn an.
»Aber da war auch ein Video-Team von irgendwelchen Körnerfressern«, fuhr Mager fort. »So ’n gelber VW-Bulli, sah aus wie ein ausrangierter Postwagen. Der stand am Kanalweg, gleich hinter dem Minensucher. Nach dem Zwischenfall sind die Jungs fix wieder abgerauscht.«
Kunstpause.
»Jede Wette, Herr Roggenkemper: Der ganze Rummel war eine gezielte Provokation der Grünen, um Ihnen eine reinhauen zu können. Die warten doch schon seit Jahren auf eine solche Gelegenheit …«
Roggenkemper dachte nach. Je länger er grübelte, desto einleuchtender erschien ihm diese Theorie.
»Haben Sie die Nummer?«, fragte er Mager.
»Von dem Bulli? Warten Sie. Auf jeden Fall RE. Und dann … Ne, tut mir leid.«
Roggenkemper blickte auf die Kassette, wendete sie ein paarmal hin und her, zögerte. »Ist schon gut«, sagte er dann und gab sie Mager zurück.
»Trinkt ihr noch ein Glas mit?«
15
Das Fernschreiben aus Holland erreichte die Kreispolizei Recklinghausen am Sonntag um 16.42 Uhr. Fünf Minuten danach lag es vor dem Kripo-Offizier vom Dienst, einem Kommissar aus der Betrugsabteilung. Eine weitere Minute später griff der Mann zum Telefon, um den Chef des 1. K. zu informieren. Der Neue würde sich freuen.
Der Erste Kriminalhauptkommissar Horst Lohkamp war 42, stammte aus Wanne und hatte den Job seit sechs Tagen. Davor hatte er fast neun Jahre beim Bundeskriminalamt abgerissen und es bis zum Stellvertretenden Chef der Ständigen Sonderkommission Terrorismus gebracht. Nach dem Geiseldrama im Spielkasino Dortmund (siehe Ard/Junge: Bonner Roulette, GRAFIT-Krimi – die Korrektorin) hatte er von diesem Geschäft die Nase voll. Als die Stelle in Recklinghausen ausgeschrieben wurde, hatte er sich offiziell beworben und inoffiziell Dutzende Türklinken geputzt, um aus dem Bundes- in den Landesdienst zurückkehren zu können. Der Mord an Ruth Michalski war der erste Fall, den er nicht von seinem Vorgänger geerbt hatte.
Als es klingelte, saß Lohkamp gerade im Wohnzimmer seiner neuen Wohnung im Vorort Hillen und spielte mit Schwiegermutter, Frau und Tochter die obligate Runde Rommé, mit der jeder gemeinsame Kaffeeklatsch gekrönt wurde. Er stand so hoffnungslos in den Miesen, dass er für die Störung beinahe dankbar war.
»Lohkamp …«
Der Betrugsmensch nannte seinen Namen und las das Telex vor.
»Irgendwer muss die Angehörigen verständigen«, sagte er und fügte hinzu: »Falls es welche gibt …«
»Klar. – Wissen Sie, wo dieses Finnland …«
»Vlieland. Zwischen Texel und Terschelling.«
»Danke. Tun Sie mir doch
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