Das Ekel von Säffle
von Bedeutung sein, als Beweis. Zu allererst müssen wir aber den erwischen, der Nyman abgeschlachtet hat. Ihm die Tat nachweisen, können wir später.«
»Das hört sich unlogisch an«, meinte Rönn.
»Ja, aber das spielt jetzt keine Rolle. Wir haben ja außerdem ein paar wichtige Einzelheiten.«
»Ja. Die Tatwaffe«, sagte Martin Beck nachdenklich. »Ein altes Bajonett, passend zu einem Karabiner.«
»Und das Motiv«, ergänzte Kollberg.
»Das Motiv?« Rönn sah ihn fragend an.
»Na klar. Rache. Das einzig Denkbare.«
»Aber wenn es Rache ist…« begann Rönn, brach dann aber ab.
»Wäre es vorstellbar, daß sich der Täter auch noch an anderen Personen rächen will«, beendete Kollberg den Satz für ihn. »Und deswegen…«
»Müssen wir ihn schnellstens finden«, fiel ihm Martin Beck ms Wort.
»Eben«, sagte Kollberg. »Habt ihr euch schon ein Bild gemacht?« Rönn warf Martin Beck einen unglücklichen Blick zu, der seinerseits aus dem Fenster sah.
»Ich meine, habt ihr euch zum Beispiel die Frage gestellt, wer Nyman war?«
»Wer er war?« Rönn schien verwirrt, und Martin Beck schwieg.
»Genau: Wer war Nyman? Oder besser ausgedruckt: Was war Nyman?«
»Polizeibeamter«, sagte Martin Beck schließlich.
»Die Antwort reicht nicht aus. Ihr habt ihn ja beide gekannt. Also, was war Nyman?«
»Polizeikommissar«, murmelte Rönn. Er blinzelte übermüdet und sagte ausweichend: »Ich muß noch zwei Telefongespräche führen.«
»Na, was war Nyman?« fragte Kollberg, als Rönn die Tür hinter sich geschlossen hatte. Martin Beck blickte ihm in die Augen und antwortete widerstrebend: »Er war ein schlechter Polizist.«
»Falsch. Nyman war ein verdammt schlechter Polizist. Er war ein Schleifer und ein Schinder von der allerübelsten Sorte.«
»Du sagst es.«
»Ja, und du mußt zugeben, daß ich recht habe.«
»Ich hab ihn nicht näher gekannt.«
»Versuch jetzt nicht auszuweichen, du hast ihn gut genug gekannt, um das zu wissen. Ich weiß, daß Einar das aus falsch verstandener Loyalität nicht zugeben will. Aber du mußt verdammt noch mal mit offenen Karten spielen.«
»Ja«, gab Martin Beck zu, »was ich über ihn gehört habe, ist nicht besonders positiv. Aber ich hab nie direkt mit ihm zusammengearbeitet.«
»Die Formulierung ist nicht ausschlaggebend. Mit Nyman konnte man nicht zusammenarbeiten. Nur das eine war möglich: man bekam einen Befehl von ihm und führte ihn aus. Seine Vorgesetzten konnten natürlich auch ihm Befehle erteilen, die wurden dann sabotiert oder einfach überhaupt m 'cht befolgt.«
»Hört sich an, als ob du dir ein fundiertes Urteil über Stig Nyman erlauben kannst«, warf Martin Beck säuerlich ein.
»Allerdings. Ich weiß `ne ganze Menge über ihn, wovon ihr anderen keine Ahnung habt. Aber dazu kommen wir später. Zuerst mal wollen wir festhalten, daß er ein Prolet und ein verflucht schlechter Polizist war. Sogar heutzutage würde er eine Schande für das Polizeikorps sein. Ich schäme mich, daß ich in der gleichen Stadt und zu gleicher Zeit wie er Polizeibeamter war.«
»Dann müßten sich aber viele schämen.«
»Ganz recht. Aber es gibt nur wenige, die den Anstand haben, das auch zu tun.«
»Dann müßte sich auch jeder Polizist in London Challenors wegen schämen.«
»Wieder falsch. Challenor und einige von seinen Kumpanen wurden schließlich vor Gericht gestellt, auch wenn es ihnen vorher gelungen war, großen Schaden anzurichten. Und damit war bewiesen, daß das System nicht mehr alles und jeden im Polizeikorps tolerierte.« Martin Beck massierte sich nachdenklich die Stirn.
»Auf Nymans Name fällt dagegen kein Schatten. Und warum?« Kollberg mußte die Frage selbst beantworten. »Weil alle wissen, daß es keinen Zweck hat, einen Polizeibeamten anzuzeigen. Die Leute sind der Polizei gegenüber praktisch rechtlos. Und wenn man sein Recht schon nicht gegenüber einem einfachen Konstapel bekommt, wie soll man sich wohl gegen einen Polizeikommissar durchsetzen?«
»Du übertreibst.«
»Nicht sehr, Martin. Nicht sehr, und das weißt du genauso gut wie ich. Es ist nun mal so, daß uns dieses verdammte Zusammengehörigkeitsgefühl zur zweiten Natur geworden ist. Wir sind infiziert vom esprit de corps, wenn ich mich mal unverständlich ausdrücken darf.«
»Ohne den Zusammenhalt nach außen hin geht's in diesem Beruf nicht. So ist es immer gewesen.«
»Und bald ist das das einzige, was noch gilt«, entgegnete Kollberg und holte Luft, bevor er weitersprach:
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