Das Ekel von Säffle
rechnen brauchte, stand ein Artikel über Rhodesien.
Den las er durch, während er seinen Tee trank und die Eier und sechs Scheiben Brot verzehrte. Gunvald Larsson war nie in Rhodesien gewesen, aber viele Male in Südafrika, Sierra Leone, Angola und Mofambique. Er war zur See gefahren und hatte sich bereits damals eine feste Meinung gebildet.
Er beendete seine Mahlzeit, wusch ab und warf die Zeitung in den Mülleimer. Da es Sonnabend war, wechselte er die Bettwäsche, bevor er das Bett zurechtmachte. Dann wählte er mit großer Sorgfalt die Kleidungsstücke aus, die er an diesem Tag anziehen wollte, und legte sie ordentlich auf das Bett. Zog sich aus und stellte sich unter die Dusche.
Seine Junggesellenwohnung zeugte von gutem Geschmack und ausgeprägtem Sinn für Qualität. Möbel, Teppiche, Gardinen, alle Gegenstände, von den weißen italienischen Lederpantoffeln angefangen bis zum freistehenden Farbfernseher der Marke Nordmende, waren erstklassig.
Gunvald Larsson war Erster Kriminalassistent beim Dezernat für Gewaltverbrechen der Stockholmer Polizei, und eine weitere Beförderung hatte er kaum zu erwarten. Eigentlich war es sogar verwunderlich, daß er nicht schon geflogen war. Seine Kollegen empfanden ihn als Außenseiter und mochten ihn nicht. Er selbst verabscheute nicht nur seine Arbeitskollegen, sondern auch seine eigene Familie und das Milieu der besseren Kreise, m dem er aufgewachsen war. Seine Geschwister lehnten ihn ab. Zum Teil wegen seiner für sie absurden Ansichten, vor allen Dingen aber, weil er bei der Polizei war.
Beim Duschen überlegte er, ob er wohl heute sterben müßte.
Das war keine böse Vorahnung. Er hatte jeden Morgen daran gedacht, seit er acht Jahre alt gewesen war und sich die Zähne geputzt hatte, bevor er sich widerwillig auf den Weg zur Broms-Schule in Sturegatan machte.
Lennart Kollberg lag in seinem Bett und träumte. Es war kein schöner Traum, er hatte schon häufiger das gleiche geträumt, war dann stets schweißnaß aufgewacht und hatte seine Frau gebeten:
»Nimm mich in die Arme, ich hatte einen furchtbaren Albtraum.« Und Gun, die seit fünf Jahren seine Frau war, legte ihren Arm um ihn und sofort konnte er alles andere vergessen.
Im Traum stand seine Tochter Bodil im offenen Fenster, fünf Stock werke über der Straße. Er versuchte zu ihr hinzulaufen, aber seine Beine versagten, und sie fiel hinaus, langsam wie im Zeitlupentempo, und schrie und streckte die Arme nach ihm aus, und er kämpfte, um zu ihr hinzukommen, aber seine Muskeln gehorchten ihm nicht, und sie fiel und fiel und schrie die ganze Zeit.
Er erwachte. Der Schrei aus dem Traum verwandelte sich in das scheppernde Rattern des Weckers, und als er die Augen öffnete, saß Bodil rittlings auf seinen Schienbeinen.
Sie las die Katzenreise. Da sie erst dreieinhalb Jahre alt war, konnte sie noch nicht lesen, aber Gun und er hatten ihr diese Geschichte so viele Male vorgelesen, daß sie sie auswendig konnte, und er hörte Bodil flüstern:
»Mit blauer Nase kommt ein Mann, hat seinen guten Anzug an.« Er stellte den Wecker ab, und sie brach sofort ab und rief mit heller Stimme:
»Hailoh!« Kollberg wandte den Kopf und sah zu Gun hinüber. Die schlief noch, hatte die Decke bis zur Nase hochgezogen und das zerzauste dunkle Haar klebte ihr feucht an den Schläfen. Er legte den Finger auf die Lippen und sagte leise:
»Sei ruhig, weck Mama nicht auf. Und sitz nicht auf meinen Beinen, das tut weh. Komm her und leg dich hier hin.« Er rückte zur Seite, so daß Bodil unter die Decke zwischen Gun und ihn kriechen konnte. Sie gab ihm das Buch und kuschelte sich an ihn mit dem Kopf in seiner Achselhöhle.
»Lies!« befahl sie.
Er legte das Buch zur Seite und antwortete: »Nein, jetzt nicht. Hast du die Zeitung geholt?« Sie legte sich quer über seinen Bauch und angelte nach der Zeitung, die auf dem Fußboden vor dem Bett lag. Er stöhnte, hob Bodil hoch und legte sie wieder neben sich. Dann schlug er die Zeitung auf und fing an zu lesen. Als er bis zu den Auslandsnachrichten auf Seite 12 gekommen war, ließ Bodil sich vernehmen:
»Du, Papa?«
»Mm.«
»Joakim hat sich voll gemacht.«
»Mmm.«
»Er hat die Windel abgemacht und hat die Wand ganz vollgeschmiert.« Kollberg legte die Zeitung weg und stöhnte wieder, stand dann auf und ging ins Kinderzimmer. Joakim, der beinahe ein Jahr alt war, stand ; n seinem Kinderbett, beim Anblick seines Vaters ließ er die Stäbe los u nd setzte sich mit einem kleinen
Weitere Kostenlose Bücher