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Das Ekel von Säffle

Das Ekel von Säffle

Titel: Das Ekel von Säffle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maj Sjöwall;Per Wahlöö
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und einmal geriet er sogar auf die linke Fahrbahn .Die ganze Zeit über murmelte der Alte unverständliche Worte vor sich hin und ab und zu wurde er von einem Hustenanfall geschüttelt. Als der Wagen schließlich vor dem Zentralbad bremste und anhielt, gab Martin Beck ihm erfreut und überrascht, weil er mit heiler Haut davongekommen war, ein viel zu großes Trinkgeld. Er warf einen Blick auf die schlotternden Hände des alten Mannes und verzichtete darauf, um eine Quittung zu bitten.
    Vor der Kasse überlegte Martin Beck einen Augenblick, bevor er bezahlte. Normalerweise badete er in der unteren Abteilung, wo es ein Schwimmbad gab, aber die Aussicht auf ein paar Runden im Bassin lockte ihn heute nicht. Er ging statt dessen ins Türkische Bad in der ersten Etage. Um nicht auf die Zeit achten zu müssen, bat er den Bademeister, der ihm die Handtücher gab, ihn um elf Uhr zu wecken. Er setzte sich in die heißeste Sauna, bis ihm der Schweiß in Strömen aus den Poren rann. Dann duschte er und tauchte einmal schnell in das eiskalte Wasser des Beckens. Rieb sich trocken, wickelte sich in das große Badetuch und legte sich auf die Pritsche in seiner Kabine. Dann schloß er die Augen.
    Er nahm sich fest vor, an etwas Erfreuliches zu denken, aber seine Gedanken konnten nicht von Harald Hult loskommen, der allein und ohne Beschäftigung in seiner kalten, unpersönlichen Wohnung gesessen hatte, in Uniform an seinem freien Tag. Ein Mann, dessen Leben nur aus dem einen bestand: Polizist sein. Wenn man ihm das nahm, blieb nur eine große Leere zurück.
    Martin Beck überlegte, was aus Hult werden sollte, wenn er einmal pensioniert wurde. Vielleicht würde er tatenlos an seinem Fenster sitzen, die schweren Hände vor sich auf dem Tisch, bis er langsam verwelkte.
    Besaß er überhaupt zivile Kleidungsstücke? Wahrscheinlich nicht.
    Es stach und brannte unter seinen Augenlidern, und Martin Beck öffnete die Augen und starrte an die Decke. Er war zu müde, um einschlafen zu können. Er legte einen Arm über die Augen und konzentrierte sich darauf, ganz entspannt dazuliegen. Aber die Muskeln waren immer noch hart gestrafft.
    Vom Massageraum hörte er schnelle klatschende Geräusche und Geplätscher, als ein Eimer Wasser über einer Marmorbank ausgeleert wurde. In einer der Nachbarkabinen schnarchte jemand laut und rasselnd.
    Plötzlich hatte er wieder das Bild von Nymans verstümmeltem Körper vorsieh. Ihmfielein, was Kollberg erzählt hatte. Wie Nyman ihn das Töten gelehrt hatte. Martin Beck hatte noch nie einen Menschen getötet.
    Er versuchte sich vorzustellen, wie man sich in so einem Augenblick fühlte. Nicht wenn man jemanden erschießt, das schien ihm nicht so schwer zu sein, vielleicht weil die Anstrengung, den Finger um den Abzugshahn zu krümmen, in keinem Verhältnis zu der Kraft des tödlichen Geschosses steht. Um mit einer Schußwaffe zu töten, bedarf es keiner größeren körperlichen Anstrengung. Der Abstand zwischen dem Schützen und dem Opfer müßte das Bewußtsein vermindern, Hand an einen anderen Menschen gelegt zu haben. Aber jemanden direkt mit den bloßen Händen, mit einem Strick, einem Messer oder einem Bajonett zu töten, das war eine andere Sache. Er dachte an den Körper auf dem Marmorfußboden im Krankenhaus, die klaffende Wunde an der Kehle, das Blut, die herausquellenden Eingeweide und er wußte, daß er auf diese Weise niemals würde töten können.
    Während seiner langen Zeit bei der Polizei hatte Martin Beck sich oft gefragt, ob er feige sei, und je älter er wurde, desto klarer kannte er die Antwort. Ja, er war feige, aber das machte ihm jetzt nicht mehr soviel aus wie in seinen jungen Jahren.
    Er wußte nicht genau, ob er vor dem Sterben Angst hatte. Sein Beruf war es, sich mit dem Tod anderer Menschen zu befassen, und dabei war ihm die Angst vor dem eigenen Tod vergangen. Er dachte sehr selten daran.
    Als der Bademeister an die Kabine klopfte und meldete, daß es elf Uhr sei, hatte Martin Beck nicht eine einzige Sekunde lang geschlafen.
    Er sah Rönn an und schämte sich. Sie beide hatten während der letzten 30 Stunden gleich viel Schlaf bekommen, nämlich überhaupt keinen, aber im Gegensatz zu dem Kollegen hatte Martin Beck den Hauptteil der Zeit angenehm, zum Teil sogar ausgesprochen gemütlich verbracht.
    Das Weiße in Rönns Augen war jetzt genauso rot wie seine Nase, Wangen und Stirn dafür ungesund bleich, und die Säcke unter seinen Augen hatten einen blauvioletten Farbton angenommen.

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