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Das Elbmonster (German Edition)

Das Elbmonster (German Edition)

Titel: Das Elbmonster (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerner, Károly
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beispielsweise niemals erlauben, den Freitod etwa von Hannelore Kohl oder der ehemaligen „Mutter Courage des Ostens“, gemeint Regine Hildebrandt, zu verurteilen. Derartig gewagte Schuldsprüche kommen mir als Außenstehenden einfach nicht zu.
    Unter bestimmten Bedingungen kann es sogar der Königsweg sein, sich zu entleiben, sein Leben selbst zu beenden, um andere zu schonen, ihnen furchtbares Leid zu ersparen. Aus diesem Grunde bin ich auch für eine angemessene Sterbehilfe unter strengster Kontrolle durch ausgewiesene Fachleute, sofern keinerlei Aussicht mehr auf ein halbwegs würdevolles Weiterleben besteht und der Betroffene den Wunsch eigens dazu verbindlich äußerte („Patientenverfügung“). Solche Überlegungen lassen sich leicht verwerfen, wenn man von der Fragestellung selbst nicht direkt berührt ist.
    Hierzulande wird das heikle Thema ohnehin als höchst makaber eingestuft und daher aus unserem Alltagsbewusstsein bereitwillig und tunlichst schnell verdrängt, gleichsam, als ob uns Gevatter Tod dadurch seltener oder zumindest behutsamer im Nacken säße. Aber das ist ein frommer Wunsch, denn letztlich entgeht keiner dem gefürchteten Freund Hein. Er gehört schlechthin zu unserem Leben. Und weil gegen ihn kein Kraut gewachsen ist, bezwingt er naturgemäß früher oder später jeden. Einen Terminkalender kennt er freilich nicht. Darum bleibt uns stets die vage Hoffnung, dass er buchstäblich erst in letzter Minute herbeieilt und sich dabei nicht allzu brutal erweist, der steinalte Sensenonkel.
    Ist es nicht ziemlich merkwürdig, wenn ihm vorbehaltlos Unsterblichkeit zugebilligt wird, obwohl er fortwährend das Gegenteil bewirkt?
    Also, mein lieber Thanatos (Gott des Todes, Zwillingsbruder des Hypnos), wenn du am Tage meiner „Erlösung“ nicht einigermaßen gnädig mit mir umgehst, werde ich dich fortan nicht mehr grüßen und mein Seelenheil im Jenseits lieber unentwegt in erotisch knisternder Gemeinschaft mit den begehrten Engeln genießen, als jemals wieder auch nur eine Sekunde an dich zu verschwenden! Du weißt, ich mag keine Grobheiten. Davon bin ich längst geläutert, aber leider nicht dagegen gefeit. Ergo, erhöre mein Flehen, Punktum!
     
    Kurz, seit Tagen plagt mich ein gesundheitliches Problem, welches inzwischen so akut ist, dass ich nicht mehr umhin kam, einen Medikus aufzusuchen.
    Diagnose: Darmriss (Fissur). Oh, jemine, was es doch alles gibt!
    Der weithin gefragte Dresdener Spezialist, Dr. Michel, übergab mir vor knapp drei Stunden eine schriftliche Einweisung ins örtliche Krankenhaus Friedrichstadt. Es sei dringend geraten, mich am besten sofort, ansonsten heute Nacht oder spätestens morgen früh in der dortigen Notaufnahme zu melden. Danach müssten Chirurgen ihr Können unter Beweis stellen. Die Erfolgsquote in solchen Fällen läge derzeit bei etwa sechzig bis siebzig Prozent.
    Na, schau an, alter Knabe, jetzt hat es dich aber ziemlich bitter erwischt! Eine verdammt schmerzhafte Angelegenheit! Vorbei mit Bruder Lustig und deinem albernen „Tscha-tscha-tscha“, das du sonst als Ausdruck deines Wohlbefindens gerne trällerst und womit du vereinzelt auch anderen Spaß bereitest. Gleich herrschen dunkle Mächte, welche dich unbarmherzig in Würgegriff nehmen werden. Sei bereit und empfange sie erhaben!
    In solch einem Augenblick verblasst alles andere, es wird bedeutungslos, löst sich in Nebel auf, ist nur noch ein Hauch deines unwägbaren Seins.
    Am liebsten wollte ich noch schnell ganze Legionen von Menschen fest umarmen und namentlich jene um Verzeihung bitten, denen ich vielleicht irgendwann Unrecht getan habe. Genau das ist just mein aufrichtiges Begehren!
    Ahoi und tschüss, edle Freunde! Macht’s gut und möglichst vieles besser als ich es jemals vermochte! Nun will ich zuversichtlich auf die Götter in Weiß setzen, wohl wissend, dass auch sie „nur“ Menschen sind.
    Bliebe mir noch genügend Zeit und Kraft, würde ich hurtig und trotzdem sorgsam ein Apfelbäumchen pflanzen. Und ich bin sicher, dass nicht nur Martin Luther seine helle Freude daran hätte, zu vernehmen, wie selbst ein Nichtchrist den wunderbaren Ratschlag des großen Reformators befolgte. Aber das schaffe ich leider nicht mehr. Wirklich schade darum, denn es wäre bestimmt eine gute Tat für die Nachwelt.
    Dabei habe ich so sehr auf Udo Jürgens lebensbejahende Orientierung gebaut, dass es mit sechsundsechzig Jahren noch einmal ganz toll losgehen könne.
    Und warum eigentlich nicht? Abwarten, wir

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