Das Elbmonster (German Edition)
dafür, dass auch künftig die Gewinne im hohen Maße privat eingeheimst, Verluste hingegen sozialisiert werden, ein Vorgang, den der namhafte Literat Volker Braun außerordentlich treffend charakterisierte: „Das Haifischfüttern stabilisiert auch das Raubtiergesetz. Der Staat als Retter hantiert mit dem Plankton der massenhaften Existenzen.“
Nun ja, nachdem wir Ostdeutschen über reichlich zwei Jahrzehnte hinweg nicht zu knapp Lehrgeld entrichteten, haben sich inzwischen die meisten von uns anscheinend daran gewöhnt, mit den neuartigen Halunken einigermaßen auszukommen, zumal diese ihre Gaunereien ja völlig legal betreiben. Manche werden sogar planmäßig darauf getrimmt, mit betrügerischen Methoden gewisse Vorteile zu erhaschen. Gleichwohl vergessen wir dabei leider viel zu schnell, dass wir zu DDR-Zeiten durch andere, nicht weniger eigennützige Strolche geprellt wurden oder uns gelegentlich selbst etwas vormachten, um uns wenigstens vorübergehend zu betören. Es ist eben nirgends alles Gold, was glänzt. Deswegen bedrängt mich zuweilen folgende Frage: Hat eine Diktatur ausschließlich Nachteile? Gemäß meiner bisherigen Lebenserfahrung antworte ich: Für ideologiegeleitete und daher meist engstirnige Schwarz-Weiß-Maler bestimmt! Und ansonsten? Dem Augenschein nach eher nicht, denn es gab auch Positives.
Trotzdem empfinde ich persönlich nicht die geringste Sehnsucht nach den alten Verhältnissen. Unter keinen Umständen möchte ich sie jemals wieder zurückhaben. „Aber so richtig angekommen bin ich in unserer jetzigen Republik auch noch nicht, obwohl ich mich fortwährend darum bemühe“, schrieb ich in meiner einstigen „Offenbarung“. Inzwischen habe ich jedoch fest verinnerlicht, dass es einfach unfair wäre, weiterhin viele Vorteile der neuen Realität nicht nur selbst zu nutzen, sondern sie auch bewusst zu genießen, dahingegen über bestimmte Gegebenheiten unentwegt zu mäkeln oder gar einer mehr als fragwürdigen DDR-Nostalgie zu frönen. Ja, ich stehe mittlerweile doch schon relativ sicher auf der Matte unseres (kapitalistisch) vereinten Vaterlandes, womit ich freilich keineswegs etwa eine bedingungslose Anpassung meine. Diese wird mich garantiert zeitlebens niemals völlig aufsaugen. Und darauf bin ich stolz! Sonst könnten sich meine kleinen grauen Zellen ja gleich zur Ruhe begeben, anstatt fortwährend mancherlei Geschehnisse zu hinterfragen.
Es ist anzunehmen, dass ein Großteil der traditionellen Bewohner jenseits des ehemaligen „Eisernen Vorhangs“ einiges von dem, was uns zuweilen immer noch sehr befremdlich erscheint, als durchaus normal oder zumindest nicht so krass empfindet wie unsereins. Die Menschen der alten Bundesländer lassen sich vermutlich auch nicht so leicht verschaukeln, reagieren cleverer auf bestimmte Widrigkeiten des bürgerlichen Lebens, als wir es bislang vermochten, weil sie damit seit Langem hinlänglich vertraut sind. Vielleicht geht es „da drüben“ insgesamt auch etwas sittsamer zu als bei uns, nachdem hier die Aufbruchstimmung längst vorbei ist und der brutale Alltag einen grandiosen Siegeszug feiert.
Der ungeheure Leistungsdruck erweist sich für viele, die gottlob noch in Lohn und Brot stehen, als zunehmend unerträglich. Es wird ja auch fast alles nur noch unter dem Gesichtspunkt seiner wirtschaftlichen Effizienz beurteilt. Ansonsten sucht es oftmals vergeblich nach seinem eigenständigen Daseinsrecht.
Ist nunmehr das die entscheidende Sinngebung unseres ohnehin flüchtigen irdischen Aufenthaltes? Da entwickelt sich wahrhaftig eine höchst merkwürdige Kultur. Auf der anderen Seite beklagen wir europaweit ein riesiges Heer von Arbeitslosen. Das grenzt doch schon beinahe an Schizophrenie.
Mir scheint, eine umfassende und gleichermaßen tiefgründige Wertediskussion ist mittlerweile auch hierzulande dahingehend vonnöten, um endlich der fragwürdigen Dominanz des Wolfsgesetzes Paroli zu bieten.
Jedenfalls will ich mich dabei gerne einbringen, denn ich mag mich nicht zu jenen reihen, die zwar unentwegt schimpfen, selbst jedoch abseitsstehen und meinen, andere werden es schon richten. Wer nichts versucht, soll auch nicht lamentieren! Als Mann der Feder muss ich zwar unterhalten, jedoch auch provozieren, um möglichst Denkimpulse auszulösen. Darin sehe ich den edlen Dreiklang allen literarischen Schaffens.
Kleiner Gedankensprung vorwärts:
Was macht inzwischen Abel? Wo kann er sich jetzt noch verstecken, nachdem ihm
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