Das Elbmonster (German Edition)
Zielfahnder von Euro- und Interpol seit nunmehr zwölf Monaten unermüdlich auf den Fersen sind, in allen Ländern und Erdteilen konsequent nach ihm spähen? Hat er womöglich in einem Kloster sicheren Unterschlupf gefunden, was er mir gegenüber seine damals noch vage Absicht während unseres letzten Treffens am zweiten Juni 2011 andeutete?
Mittlerweile verspüre ich in meinem Oberstübchen, wie sich eine konkrete Erinnerung immer klarer bemerkbar macht, obwohl das betreffende Ereignis schon relativ lange zurückliegt. Es handelt sich um eine ziemlich aufschlussreiche Botschaft, welche mein einst brüderlicher Freund bei einem ausführlichen Gespräch, das wir zu einem speziellen Thema miteinander führten, wie folgt äußerte: „Dein ärgster Feind lebt unweigerlich in dir selbst. Er wirkt bisweilen viel heimtückischer, als du es jemals wahrhaben möchtest.“
Jetzt erst wird mir zunehmend bewusst, dass diese höchst wundersame Aussage mutmaßlich auf seine eigene Person gemünzt war. Aber welche abgründige Kraft könnte er als seinen stärksten (inneren?) Widerpart gemeint haben? Doch nicht etwa Anonymus?
Oh, wie doch die Zeit verrinnt! Im Alter verfestigt sich allmählich der Eindruck, dass die Enkel schneller wachsen als die Kinder.
Das christliche Fest der Ausgießung des Heiligen Geistes, welches als traditionelle Pfingstfeier stets exakt fünfzig Tage nach Ostern begangen wird, liegt bereits seit Wochen hinter uns, denn schon übermorgen haben wir den kalendarischen Sommeranfang 2012.
Wenn ich nachstehend zum weiter oben Geäußerten noch hinzufüge und erläutere, warum das verflossene Jahr sich mir gegenüber als hochgradig vermaledeit erwies, so keineswegs, um zu klagen, sondern nur um etwas zu begründen, und zwar den mich bedrückenden Tatbestand, dass ich mein Versprechen hinsichtlich der befristeten Fertigstellung eines konkreten Projektes nicht einhalten konnte. Und es ist bislang leider auch gar nicht abzusehen, ob und wann ich meine einstige Zusage überhaupt einlösen werde. Der mir dafür vorgegebene Termin ist jedenfalls längst überschritten. Es wäre heuer der achte April (Ostersonntag) gewesen. Da waren die schlag 311 Tage abgelaufen, welche mir ein ausgesprochener Übeltäter vormals zur Bewältigung seines höchst eigenmächtigen und gleichermaßen spektakulären Auftrages insgesamt als Maximum gewährte. Ergo dürfte ich jetzt nicht mehr unter den Lebenden weilen. Doch es kam anders, und das zu meiner großen Verwunderung.
27
Was ist unterdessen diesbezüglich geschehen?
Dank ärztlicher Kunst war es mir vergönnt, das Dresdner Krankenhaus verhältnismäßig schnell wieder zu verlassen, da es mit mir sichtlich bergauf ging, was immerhin bedeutete, dass ich dem entsetzlichen Knochenmann nochmals von der Schippe sprang (zugegeben, wenn ich nicht etwas übertreiben darf, kann ich weniger gut erzählen).
Mein Optimismus stieg von Tag zu Tag, und ich wähnte mich fast wie neu geboren. Doch meine Freude darüber währte nicht lange. Wegen des gleichen Problems musste ich vier Wochen danach erneut unters Messer, diesmal in meinem vertrauten Heimatstädtchen Meißen. Auch hier verstehen die Fachleute ihr Handwerk.
Übrigens habe ich oftmals die Erfahrung gewonnen, dass man in der Provinz bei vielen Dingen des täglichen Lebens mehr Sorgfalt walten lässt, zuweilen auch gewissenhafter arbeitet als in manchen Großstädten. Warum das so ist, falls es denn pauschal stimmt, weiß ich momentan freilich auch nicht zu beantworten. Vielleicht wird der gelegentlich spürbare Unterschied einerseits durch die besondere Atmosphäre in den Ballungsräumen maßgebend verursacht, die ja zweifellos eine gewisse Anonymität der meisten Individuen bewirkt und folglich auch entsprechende Verhaltensweisen auszulösen vermag. Demgegenüber herrscht unter provinziellen Gegebenheiten ein anderes Fluidum.
Ohnehin ist meine Beobachtung nicht wertend gemeint, erst recht nicht zugunsten ausgeprägt penibler Leute, zu denen ich mich wohl oder übel manchmal auch zählen muss. Noch immer ertappe ich mich vereinzelt dabei, bestimmte Arbeiten unbedingt so genau wie möglich auszuführen, statt sie einfach so akkurat wie nötig zu erledigen. Das wiederum geht des Öfteren mit einer geradezu sinnlosen Vergeudung von Zeit, Kraft und Geld oder Material einher. Doch die verstandesmäßige Einsicht ist das eine, die Macht zählebiger Gewohnheiten hingegen ihr
Weitere Kostenlose Bücher