Das Elbmonster (German Edition)
durch das berühmte Porzellanstädtchen befördert, sondern vor lauter Begeisterung sich wünschen, der Strom möge langsamer fließen oder sein Oldtimer verhaltener dahingleiten, damit er die ganze Pracht der berauschenden Sehenswürdigkeiten noch länger in Augenschein nehmen und ausgiebiger genießen könne.
Vom Klima begünstigt, malerisch eingebettet in die wunderbare Landschaft des Elbtales, umrahmt von herrlichen Weinbergen und bewaldeten Hügeln, ist diese Stadt eine wahre Perle Sachsens, als dessen Wiege sie auch bezeichnet wird.
Warum sollte gerade sie dafür auserkoren sein, eine unerhört tückische Heimsuchung zu durchleiden? Was in drei Teufels Namen ist oder muss geschehen, um selbst Außenstehenden bisweilen den Atem stocken und das Blut in den Adern gerinnen zu lassen?
Wir wissen es nicht, noch nicht. Und das ist vorerst sicherlich auch gut so, denn uns werden auf der gemeinsamen Suche nach den Ursachen eines Phänomens, das bislang zumindest europaweit ohnegleichen war, noch oft genug Szenarien begegnen, welche direkt aus der finstersten Hölle entliehen sein könnten. Der Horrortrip dürfte uns nicht nur ab und an die reinste Gänsehaut bescheren, sondern auch verstandesmäßig als kaum fassbar erscheinen.
Behüten wir also vorläufig noch sorgsam das zarte Pflänzchen unseres kostbaren Seelenfriedens und erfreuen uns lieber weiterhin an den erstaunlichen Schokoladenseiten der auserwählten Domstadt am schönen Elbstrom, welcher freilich nach wie vor mit dem Makel des Unberechenbaren behaftet ist. Das offenbarte er uns besonders drastisch im August des schicksalsschweren Jahres 2002 nach längerer Dauer vermeintlicher Folgsamkeit auf höchst dramatische Weise:
Jene Flutkatastrophe an der Elbe und ihren Nebenflüssen verursachte die schwersten Verwüstungen seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges, allein in Sachsen einen geschätzten Schaden von sechs Milliarden Euro (pauschal mehr als das Doppelte). Doch weit schlimmer: Sie forderte insgesamt achtunddreißig Menschenleben, davon einundzwanzig in unserem Freistaat. Und ich will hier noch etwas bewusst wiederholen: Wer die ungeheure Zerstörungskraft der reißenden Fluten in meiner Heimatstadt Meißen selbst miterlebt hat, namentlich der ansonsten unscheinbaren Triebisch, der spricht begründet von einem großen Wunder, dass es hier keine Todesopfer zu beklagen gab.
Diesbezüglich bleibt vor allem zu wünschen, dass eine dergestalt entfesselte Urgewalt nicht nur die unmittelbar davon Betroffenen grässlich schaudern ließ und weithin Mitfühlende zur tätigen Solidarität drängte, sondern uns allesamt auch endlich wieder mehr ehrfürchtigen Gehorsam gegenüber der äußeren Natur lehrte (Anfang 2011 trat der Elbstrom erneut beängstigend über seine Ufer).
Trotz solcher Geschehnisse von erschütterndem Ausmaß sind die Bürger Meißens, dieser einzigartigen Metropole des „Weißen Goldes“ mit seinen unverkennbaren blauen Schwertern, zu Recht außerordentlich stolz auf die erste Porzellanmanufaktur Europas, die seit 1710 hier ihren Sitz hat und jährlich Hunderttausende Besucher anlockt. Mit nicht minder erhobenem Haupt verweisen sie zudem auf die geschichtsträchtige Altstadt und namentlich auf das gewaltige Ensemble von Albrechtsburg und Dom, das sich in seiner prächtigen Ausstrahlung geradezu majestätisch über alles erhebt. Es verkörpert fraglos eine bautechnische Krönung von erhabener Schönheit und kündet ebenso nachhaltig von der enormen Schöpferkraft vergangener Generationen, vor der wir uns nur bewundernd und ehrerbietig verneigen können. Welch eine Leistung!
Vom Burgberg bietet sich für jeden Interessenten, auch wenn er sich gegebenenfalls nur beiläufig umschaut, ein regelrecht überwältigendes Panorama. Es mutet schon fast verschwenderisch an, womit der Homo sapiens auf diesem Fleckchen Erde nach dem grandiosen Akt des Werdens und Gestaltens unseres Blauen Planeten beschenkt worden ist. Allein seinem visuellen Erscheinungsbild nach zu urteilen, müsste es dem oft ersehnten geografischen Paradies nahekommen, gleichsam eine Art Garten Eden. Jedenfalls empfinde ich das so, und es ist immerhin seit mehr als einem halben Jahrhundert meine engere Heimat.
Dazu allenthalben die vom Menschengeist erdachten und vielfach wie durch besonders geschickte Künstlerhände geprägten Bauwerke. Es sind ungemein bezaubernde Farbtupfer, welche sich überwiegend harmonisch in die ohnedies faszinierende Landschaft einfügen. Alles in
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