Das Elbmonster (German Edition)
wir auf dem Dorf wohnten, lag der Gedanke nahe, mich beim nächsten Bauern zu erkundigen, ob er denn bereit wäre, mir eines von seinen vielen Watscheltieren abzugeben. Er kam meiner Bitte anstandslos nach und überreichte mir den Vogel vereinbarungsgemäß bereits sauber gerupft am Heiligen Abend. Vorher entnahm ich beflissen einschlägige Hinweise aus unserem Kochbuch, wie man ihn am besten herrichtet, um ja nicht auf Ratschläge meiner Hauszierde angewiesen zu sein. Man hat doch einen gewissen Stolz!
Rosenkohl und Thüringer Klöße kaufte ich vorsorglich schon beizeiten im Supermarkt. Aber das merkwürdige Geschöpf mit seinem breiten Schnabel und kurzen Beinen musste ich wohl oder übel selber zubereiten. Dabei ließ mich meine holde Gattin sogar wider Erwarten großmütig hantieren.
Indessen läutete unversehens die Klingel, und eine verzweifelte Nachbarin rief flehentlich um Hilfe. Ihr Mann war trotz Unwetterwarnung mit seinem Auto in die Stadt gefahren, um noch etwas für die Feiertage zu besorgen. Auf dem Rückweg blieb das Gefährt nur wenige Meter vor der Garage in einer Schneewehe stecken.
Selbstredend eilten wir ohne Zögern zur Stelle des Malheurs, zumal die Straße für Räumfahrzeuge frei sein musste. Das Problem war mit vereinten Kräften auch schnell behoben. Aber die nächste Panne ließ nicht lange auf sich warten, denn vor lauter Geschäftigkeit versäumte ich, den Elektroherd auszuschalten.
Schon an der Korridortür strömte uns ein höchst verdächtiger Geruch entgegen. In panischer Eile öffnete ich das Schloss, hastete zur extrem verqualmten Küche, riss das Fenster sperrangelweit auf, nahm die Pfanne vom Herd, packte die völlig verkohlte Ente und warf sie im hohen Bogen hinaus. Es war ihr letzter Flug.
Dummerweise verbrannte ich mir dabei auch noch mehrere Finger, gleichsam die sofortige Strafe für mein leichtsinniges Verhalten.
Angesichts der ziemlich komischen Situation konnte sich meine Frau vor Lachen kaum noch halten. Ja, die alte Weisheit: Wer den Schaden hat, braucht für Spott nicht zu sorgen. Umso mehr bedurfte ich einer gewissen Zeit, mich mit dem arg bösen Spiel halbwegs abzufinden.
Seither kümmert sich gottlob wieder meine bessere Hälfte um den Weihnachtsschmaus, und wir amüsieren uns regelmäßig über mein einstiges Missgeschick.
Hat dieser Einschub auch Ihnen gutgetan? Das würde mich freuen. Und wir könnten nun mit frischen Kräften weiter voranschreiten, indem wir uns vorerst um zeitliche Rückschau bemühen, denn wir blicken nachstehend gezielt auf Ereignisse zur Jahrtausendwende.
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Ungeheuerliches geschieht in meinen heimatlichen Gefilden. Äußerst mysteriöse Vorkommnisse erschüttern die ansonsten weitgehend friedlich geprägte kleinstädtische Atmosphäre am malerischen Elbstrom. Gleichsam, als ob ein Riese seine mächtigen Pranken würgend über die Siedlung erhebt, wird ihren Bewohnern beinahe die Luft zum Atmen genommen, fügt sich ein dunkler Schleier des Grauens über die verängstigten Menschen. Nichts ist mehr wie früher, dazu die lähmende Ungewissheit, wann und wie das endet.
Vor nicht allzu langer Zeit konnte man sich noch ohne Furcht und Argwohn an der außergewöhnlichen Schönheit Meißens erfreuen, denn es ist unbestritten ein Kleinod deutscher Geschichte und Kultur, ein altehrwürdiges Städtchen mit bezauberndem Flair sowohl für Einheimische wie für Besucher.
Wer schon einmal das besondere Glück hatte, diesen über mehr als tausend Jahre gewachsenen Ort samt der reizenden Umgebung von einem der vielen Aussichtspunkte oder vielleicht gar von der Vogelperspektive aus zu betrachten, neuerdings beispielsweise durch einen speziellen Rundflug oder mittels Ballonfahrt, wird von seiner unwiderstehlichen Anziehungskraft für immer fasziniert sein. Es sind fast märchenhafte Eindrücke, welche uns augenblicklich in ein überaus entzückendes Wohlbefinden versetzen und gewiss auch in stets angenehmster Erinnerung bleiben.
Will jemand in Verbindung mit den großartigen Impressionen außerdem Nostalgie pur erleben, begibt er sich an Bord der ältesten und zugleich größten Raddampferflotte der Welt. Sie liegt in der Landeshauptstadt Dresden vor Anker. Das „Florenz des Nordens“ ist bloß fünfundzwanzig Kilometer von Meißen entfernt. Er wird als Passagier während seiner Schiffsreise entlang der Sächsischen Weinstraße bestimmt nicht nur das technische Schmuckstück bewundern, welches ihn auch
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