Das Elbmonster (German Edition)
weithin bekannte französische Schriftsteller Sade (1740 bis 1814) mit seiner obszönen Verherrlichung sexueller Perversionen schon beinahe als harmloser Waisenknabe.
Obwohl es mir außerordentlich fernliegt, diesbezüglich oder überhaupt als Moralapostel zu gelten, verkünde ich sogleich unverblümt, dass es mich trotz meines fortgeschrittenen Alters immer noch arg befremdet und zutiefst erschüttert, was sich Menschen zuweilen selbst antun oder einfach über sich ergehen lassen (ganz abgesehen von der gezielten Tötung anderer). Der Homo sapiens ist und bleibt eben voller Rätsel.
Es ist deshalb auch nicht erstaunlich, wenn sich bereits während der ersten Wochen und Monate des Jahres 2001 unzählige Journalisten, Rundfunk- und Fernsehreporter ebenso in Meißen tummelten wie Scharen von neugierig gewordenen Abenteurern, die sich womöglich als begnadete Detektive wähnten, ihren angeblichen Spürsinn schärften und fieberhaft nach verwertbaren Spuren der aufsehenerregenden Vorkommnisse suchten. Wie Rudel hungriger Wölfe fielen sie über die Stadt her und attackierten erbarmungslos die Bewohner. Nicht wenige von ihnen trachteten freilich nur nach einem speziellen Nervenkitzel, nährten ihren unersättlichen Sensationstrieb. Andere brauchten einfach geeignete Storys für ihre Revolverblätter.
So wie damals gilt auch heute: Wenn sie nicht rechtzeitig fündig werden, konstruieren sie die tollsten Fantasieprodukte. Bildhaft formuliert: Sie sind imstande, aus einem leisen Pups einen lauten Donnerschlag zu machen. Dies ist wahrlich ein bemerkenswertes Talent, dazu oft gepaart mit dem Umstand, dass ihr vermeintliches Wissen von keinerlei Sachkenntnis getrübt ist. Aber das stört sie keineswegs, sofern sie es überhaupt feststellen. Der geneigte Leser hingegen nimmt auch solcherart Hirngespinste oftmals als wahre Begebenheit. Er ist allenfalls gelegentlich leicht irritiert, wenn das wirkliche Leben ganz und gar nicht den Machwerken bestimmter Leute entspricht. Danach geht er bedenkenlos wieder zur Tagesordnung über.
Doch wie auch immer, angesichts des beständigen eigenen Unvollkommenseins ist man trotzdem gehalten, die Leute zu achten wie sie sind, denn es gibt keine anderen. Wer ist schon immer perfekt in seinem Denken und Tun? Keiner! Zugegeben, wir bilden uns das manchmal ein, aber die Realität sieht meistens anders aus. Unsere Fehlbarkeit bleibt zeitlebens erhalten. Sie ist buchstäblich ohne Grenzen und hat ihren speziellen Reiz.
Erfahrungsgemäß schützt selbst das Alter nicht vor Torheit, wovon ich infolge eigener Erlebnisse mannigfach zu berichten wüsste. Fortwährend ertappe ich mich bei neuen Dummheiten, die ihrerseits auch stets eine Chance bieten, klüger zu werden. Wer aus seinen Fehlern nicht lernt, ist selber schuld. Dies klingt zwar ziemlich rabiat, ist aber dennoch die reine Wahrheit. Andererseits gilt: Eine gewisse Portion Selbstbewusstsein braucht jeder, um im ständigen, mitunter auch unerbittlichen Existenzkampf zu bestehen. Und über wahre Größe verfügen wohl am ehesten jene, die auch verzeihen können, sich und anderen.
Auweia, jetzt habe ich mich abermals zu einem gedanklichen Seitensprung hinreißen lassen, der von einigen Lesern möglicherweise nur als weithin bekanntes Palaver aufgefasst wird! Ergo sofort umkehren, ein paar Schritte zurück, den Leitfaden dieser Kriminalstory gemeinsam wieder aufgenommen, fünfundvierzig Grad Wende und hin zum noch fernen Ziel bis zur eventuellen Aufklärung der unerhörten Vorkommnisse in meiner wunderbaren Heimatstadt Meißen!
Schließlich ist hier die ohnehin nebulöse Situation schon Anfang des Jahres 2001 kaum noch zu beherrschen. Sie gerät zusehends außer Kontrolle. Mit geradezu dramatischer Schnelligkeit entwickelt sich dieser Ort zum Eldorado kriminalistischer Schatzsucher jedweder Richtung. Sie alle schärfen ihren angeblichen Spürsinn und hoffen inständig, bald einen trächtigen Fund zu schöpfen, damit sie einen möglichst großen Leckerbissen vom Erfolgskuchen abbekommen. Auf die Seelenqualen der Hinterbliebenen einzelner Opfer wird nur selten Rücksicht genommen. Uneigennützig kümmern sich um deren Befindlichkeit allenfalls besorgte Freunde, dazu sporadisch einige Psychologen, von denen meist sowieso mehr erwartet wird, als sie wirklich leisten können (Ausnahmen bestätigen nur die Regel).
Ferner versuchen bisweilen jeweils zuständige kirchliche Würdenträger, den Schmerz der Betroffenen zu lindern, indem sie
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