Das elektronische Glück
geliebten Menschen durchgeführt werden.
Wieviel einfacher wäre es, ein beliebiges Paar zu nehmen – einen jungen Mann und ein junges Mädchen – und sie zu zwingen, einander zu lieben! Aber wenn es nun eine Panne gibt? Und wenn es ein Erfolg wird? Was werden sie mir erzählen? Wenn Menschen verliebt sind; sprechen sie nicht darüber. Man kann sie nicht gut bitten, ein Testprotokoll auszufüllen.
Auch ich werde keine einzige Zeile ins Protokoll eintragen können. Aber ich werde wissen, daß der Apparat funktioniert. Und Tausende werden mir dankbar sein.
Jetzt habe ich mich bei einer primitiven Lüge ertappt. Der Egoismus eines Verliebten und die Selbstzufriedenheit des Erfinders – das ist es, was mich dazu treibt. Und alle meine Argumente sind nur ein Deckmantel, unter dem ich einige meiner nicht gerade anziehenden Eigenschaften vor mir selbst zu verbergen trachte.
Gewiß, ich muß meinen Apparat nicht unbedingt an Swetlana erproben. Hätte ich es nicht vor allen geheimgehalten, so hätte ich schon längst Freiwillige gefunden, prächtige Jungen, die sich in dem Experiment bereit gefunden und auch vor dem Protokoll keine Scheu gehabt hätten. Denn mein Apparat wird wirklich gebraucht.
Liebe ist das höchste Glück, das nur dem Menschen beschieden ist. Doch vielen gelingt es zeit ihres Lebens nicht, sie zu erfahren.
Ich spreche nicht von dem Problem »…liebt mich – liebt mich nicht«, von der unglücklichen, unerwiderten, erfolglosen Liebe, denn das ist nichtsdestoweniger Liebe. Gewiß, erwiderte Liebe wäre besser. Ich meine vielmehr jene, die dahinleben, ohne je erfahren zu haben, daß es noch etwas Höheres gibt als die Befriedigung der mannigfaltigen Bedürfnisse des Menschen, der physischen wie der psychischen, seien es nun Essen und Trinken, Kinder zeugen, Sport, Briefmarkensammeln oder Erfolge auf administrativem Gebiet. Solche Menschen sind Seelisch farbenblind. Für sie existieren die Farben der Liebe nicht, und sie ahnen nicht einmal, daß alles anders sein kann. In meiner Macht liegt es jetzt, ihnen das zu geben, was ihnen die Umstände vorenthalten haben.
Der Apparat braucht nur noch ausprobiert zu werden.
Aber das Experiment muß eindeutig sein.
Würde ich irgend jemand anders die Prüfung anvertrauen, so würde ich niemals erfahren, ob allein der Apparat die notwendige Wirkung erzielt hat Swetlana liebt mich nicht – das weiß ich genau. Und so wird das Experiment eindeutig sein.
Wie überzeugend doch die Argumente des Egoismus sein können! Wie schön ich mir eingeredet habe, daß das einzige Objekt männlichen Geschlechts, das für das Experiment geeignet ist, ich selber bin. Ich möchte wissen, ob diese Argumente genauso überzeugend wären, wenn meine Beteiligung an einem gefährlichen Experiment erforderlich wäre!
Wieder einige Tage später.
Ich blicke auf die vertrauten Fenster, verspüre jedoch nicht die frühere magische Kraft in mir, die mich noch unlängst beflügelt hat. Die helle Fensterreihe ist von einem dunklen Quadrat unterbrochen, und ich werde viele Tage warten müssen, bis es wieder aufflammt und der vertraute Schatten dahinter auftaucht.
Swetlana ist nicht da. Sie ist nach Kriwoi Rog gefahren, wo jetzt ihr Panneau an der Wand des neuen Kulturpalasts angebracht wird. Ich habe ihr den Koffer zum Zug getragen, ihr ein Veilchensträußchen und einen Polarkuß gekauft, und sie hat zum Abschied aus dem Fenster gewinkt. Dann ist der Zug an mir vorübergerollt.
Wie einfach doch alles auf dieser Welt ist! Noch gestern konnte ich mir einen Tag ohne sie gar nicht vorstellen. Und nun ist sie fort, und mein Leben geht weiter. Ich eile ins Labor, studiere grafische Darstellungen von Emotionen, gebe dem Rechner komplizierte Daten ein und futtere meine Lurche. Nur ist das Leben etwas weniger interessant geworden, weiß ich abends nichts mit mir anzufangen. Ich hocke bis spät in die Nacht im Labor, bis der verärgerte Nachtwächter mich hinauswirft. Dann gehe ich hierher, zum Fuß des Fernsehturms, um auf das dunkle Fensterquadrat zu starren.
Bis zu Swetlanas Rückkehr muß ich über das Experiment entschieden haben. Entweder – oder. Noch länger hinauszögern kann ich es nicht. Ich bin schließlich auch nur ein Mensch.
Die unglücklich Verliebten haben es wahrscheinlich viel leichter. Ihre Lage ist eindeutig hoffnungslos. Wenn man weiß, daß man nichts zu erhoffen hat, fangt man an, nach einem Gegengift zu suchen. Meine Hoffnung aber liegt
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