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Das elektronische Glück

Titel: Das elektronische Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dieverse Autoren
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Herz. Mit einem Fußtritt schleudere ich einen Hocker fort und stürze zur Tür hinaus.

    Einige Tage später.
     Swetlanas Hände schweben über dem Farbenspiel der steinernen Feuer. Ich stehe allzu nahe und sehe nur die einmalige Schönheit der Minerale, ohne zu erkennen, in welcher Beziehung sie zueinander stehen.
     »So kannst du nichts erkennen«, meint Swetlana lachend.
     Ich erklimme eine hohe Stehleiter, und nun kann ich am Boden der Werkstatt ein strenges steinernes Profil ausmachen. Die Darstellung ist noch bruchstückhaft, und ich vermag noch nicht zu erkennen, was ich da vor mir habe – einen Recken aus einer Sage oder einen Erforscher des Mondes – aber mein Herz fühlt sich durch die Schönheit angesprochen, und mir wird klar, daß die Lösung endlich gefunden ist. In den Zügen des am Boden ausgebreiteten Gesichts kommt mir irgend etwas merkwürdig bekannt vor. Ich versuche, das Gefühl zu präzisieren, aber es entgleitet mir und zerfließt, hinterläßt nur eine Spur von unbegreiflicher Unruhe.
     Swetlana steht unten, schlank und rank, und schaut, den Kopf leicht in den Nacken gelegt, zu mir herauf. Durch die gläserne Wand fällt die Sonne herein, funkelt in den Gläsern ihrer Brille und bricht sich in dem zu ihren Füßen erstarrten steinernen Wasserfall. Ich blicke nicht mehr auf das einprägsame Profil, denn neben dem entstehenden steinernen Wunder sehe ich ein anderes Wunder, wie es kein schöneres auf dieser Welt gibt.
     »Warum sagst du denn gar nichts?« fragt sie eine Million Jahre später leise, und das Lächeln ist von ihrem Gesicht verschwunden. Bei diesen alltäglichen Worten wird mir weh ums Herz.
     »Deine Hände sind wie der Wind«, sage ich und steige langsam wieder von der Leiter herunter. »Und du selbst bist wie die Freude. Du hast dem Himmel seine Großartigkeit geraubt…«
     Das helltönende Getröpfel ihres Lachens wird zum Wasserfall.
     »Du sprichst wie der alte, weise König Salomo«, meint sie lachend. »Der mit den siebenhundert Frauen, dreihundert Kebsweibern und Jungfrauen, Mägde ohne Zahl.«
    »Mir genügt eine«, erwidere ich, dicht an sie herantretend.
    »Nicht doch! Du hast's mir versprochen.«
     Ohne die Augen niederzuschlagen, steht sie vor mir – so nahe, daß ich ihre langen Wimpern zählen kann.
     »Ich bin noch weiser als König Salomo«, murmele ich, »denn ich weiß, was ihm noch unbekannt war.«
     Hinter ihren Brillengläsern tanzen die mir so vertrauten kleinen Kobolde.
     »O du mein König, deine Beine sind wie Marmorsäulen«, zitiert sie in singendem Tonfall. »Dein Bauch ist wie ein Weizenhaufen, umsäumt von Lilien…«
     Betäubt weiche ich zurück; ich hasse mich wegen meiner Feigheit.
     Meine Hand liegt auf dem Knopf des Apparats. Aber ich wage nicht, ihn zu drücken. Denn das wäre genauso, als schösse man einem Davongehenden in den Rücken. Ich bin mir sicher, daß es keine Panne geben kann. Dennoch habe ich Angst davor.

    Der Sonnabendmorgen beginnt für mich mit dem fernen Tukkern eines Motorboots, das in der Bucht umhersaust. Die warmen Hände der Sonne, die durch einen Spalt des nicht ganz dicht zugeknöpften Zelts hereindringt, berühren zärtlich mein Gesicht. Ich bin noch nicht völlig wach, liege einige Minuten reglos mit geschlossenen Augen und lausche den vertrauten Geräuschen des Waldes.
     In der Nähe pocht eine Axt. Das ist Viktor Burzew, Doktor der Wissenschaften, der da am Werke ist. Er ist heute für das Lagerfeuer zuständig. Vom Ufer her tönt das unzufriedene Husten des Bootsmotors, der wie immer nicht anspringen will. Wahrscheinlich ist das Fedossejew, der vor dem Frühstück noch etwas angeln will. Wenn Pjotr Iwanowitsch nur mit seiner Angel dasitzen kann, vergißt er darüber das Essen. Ein Eimer klappert, und gluckernd ergießt sich Wasser in den Teekessel.
     Irgendein Käfer krabbelt mir übers Gesicht, aber ich bin zu faul, mich zu rühren, um ihn wegzuwischen. Im Schlafsack ist es warm und gemütlich, und solange die Augen noch geschlossen sind, dauert die Nacht an. Deshalb ertrage ich es auch geduldig, um nicht die Reste des Schlafs zu verscheuchen. Doch jetzt kitzelt es unerträglich in der Nase, ich niese ohrenbetäubend, daß es das Motorgeräusch übertönt, und öffne unwillkürlich die Augen.
     Neben mir sitzt Swetlana, einen langen Grashalm in der Hand.
     »Es ist schon Morgen, mein König«, sagt sie wieder in singendem Tonfall. »Deine hungrigen Untertanen harren deiner.«
     Das bedeutet,

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