Das elektronische Glück
in meiner Hand. Hier ist er, der blaue Knopf. Ich brauche nur leicht draufzudrücken.
Jetzt kann ich mir das erlauben. Der Wirkungsradius des Apparats beträgt nur wenige Meter. Und so drücke ich den Knopf so lange, bis die Batterie entladen ist.
Das Ganze begann mit den Emotionen. Nachdem Fedossejew vom Mond zurückgekehrt war, wo die Roboter plötzlich gegen ihn rebellisch geworden waren, unterbreitete er uns so viel neue Ideen, daß wir sie erst nach rund anderthalb Jahren einigermaßen in unsere Pläne eingebaut hatten. Damals begann ich mich näher mit den Emotionen zu beschäftigen, weil Pjotr Iwanowitsch selbst voll und ganz davon in Anspruch genommen war, das Gedächtnis des neuen Kristallhirns für seine Roboter zu schaffen.
Natürlich begannen wir mit den »Zentren der Zufriedenheit«. Intelligente Ratten traten gehorsam Pedale und vergaßen Schlaf, Essen und Trinken. Das ergab wenig Neues – diese Experimente hatte Olds bereits im Jahre 1953 angestellt. John Lilly, der bekannte Delphinforscher, hat sie mit Affen wiederholt. Doktor Delgado lernte, Impulse per Radio zu übertragen, allerdings mittels einer eingepflanzten Elektrode. Wenig später wurde der Telestimulator erfunden, ein kleines, erbsengroßes Gerät, das unter die Kopfhaut implantiert wird. Wir gingen noch weiter, denn wir hatten Mikrolokatoren, die es uns gestatteten, ohne Elektroden auszukommen. Unser Laboratorium wimmelte von Freiwilligen aller Altersstufen. Einen gehörnten Plasthelm auf dem Kopf, hörten sie die »Appassionata«, sahen Horrorfilme wie »Der Sarg öffnet sich um Mitternacht« oder »Vampire des Universums«, genossen den Anblick der Venus von Milo oder kosteten neue Gerichte. Wir begaben uns mit unseren Apparaten zu Studenten im Examen, tauchten in Boxringen, auf Kosmodromen, hinter den Kulissen von Theatern, in Redaktionsbesprechungen und in Wagen der »Ersten Hilfe« auf. Wir vollbrachten Wunder an Findigkeit, wir wurden zu wahren Diplomaten, wir wandten Tricks an, wir überredeten, wir appellierten, und in der Regel gelang es uns, dem Betreffenden den Helm im scheinbar unpassendsten Moment auf den Kopf zu stülpen. Alle Zeitungen brachten das Foto des Torwarts von »Torpedo« mit unserem Helm, als man ihm fünf Minuten vor Schluß eines Halbfinalspiels einen Elfmeter ins Tor setzte. Bis dahin hatte es null zu null gestanden, und wir erhielten eine phänomenale Aufzeichnung, aber Fedossejew gab seitdem uns die Schuld an der Niederlage seiner Lieblingsmannschaft.
Dann begann die Simulation. Wir veranlaßten unseren Rechner, in seinem metallenen Leib alle Emotionen zu imitieren, zu denen Lebewesen überhaupt fähig sind. Wir lehrten ihn, Erregung und Zorn zu empfinden, gaben ihm Sinn für Humor. Durchs Laboratorium streunten elektronische Katzen, die wild mit den Augen funkelten und bei dem Ausruf »Kusch!« zur Seite sprangen, und kybernetische Hasen, die gerne an Blumen schnupperten.
Wir haben je ein Laboratorium für Kummer, für Erregung, für Wehmut, für Affekt, für Langeweile, für Wut und so weiter. Ich erinnere mich noch, wie ein neuer Laborant sich weigerte, im Labor für Angst zu arbeiten. Glaubte er doch, man werde einen hungrigen Tiger auf ihn loslassen, um die dabei auftretenden Emotionen zu messen. Daraufhin schickte man ihn ins Labor für Lachen, und dort hockte er lange über Emogrammen, deren Dechiffrierung die langweiligste Beschäftigung der Welt ist. Aber seit uns vor zwei Jahren auf einigen Emogrammen völlig unerklärliche Spitzen auffielen, nahm meine Arbeit plötzlich eine unerwartete Wendung.
Man kann nicht sagen, daß das ein Zufall war. Bei dem modernen System der wissenschaftlichen Forschung wird früher oder später jede Entdeckung mit absoluter Sicherheit gemacht. Selbst wenn Röntgen nichts entdeckt hätte, wären die geheimnisvollen X-Strahlen einige Jahre später dennoch gefunden worden. Beweis dafür ist die Entwicklungsgeschichte der Atombombe, der Quantengeneratoren und der Raumschiffe.
Die merkwürdigen Spitzen waren mit keiner der uns bekannten Erscheinungen identisch. Wir studierten Tausende von Emogrammen, ließen den Rechner sich mit Mutmaßungen abschinden, stellten eine Unmenge von Kontrollversuchen an. Die geheimnisvollen Spitzen blieben uns ein Rätsel. Sie traten zwar nicht allzu häufig auf, vielleicht einmal bei hundert Experimenten, aber dafür ohne jedes System. Wir fanden sie auf Emogrammen des Kummers und der Freude, der Angst und der
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