Das elektronische Glück
Erregung.
In ebenjener Zeit lernte ich Swetlana kennen.
Zu den Monumentalisten geriet ich ganz zufällig. Schon einige dutzendmal war ich an diesem Gebäude vorübergegangen, ohne es zu beachten. Und auch diesmal hätte ich es wohl wie der links liegenlassen, wäre nicht die plötzlich durch die Glaswand sprühende Farbeneruption gewesen, als die niedrigstehende Abendsonne noch einmal jäh hinter den Wolken hervorlugte.
Ich werde wohl nie mehr den Zustand unwillkürlicher freudiger Unruhe vergessen, in den ich in jenem Augenblick geriet. Ich weiß noch, wie ich einmal als Junge am Strand von Gursuf eine Taucherbrille mit gelbem Lichtfilter statt der Glasscheibe aufsetzte und vor Entzücken beinahe aufgeschrien hätte, eine so strahlende Welt tat sich vor mir auf. Etwas Ähnliches widerfuhr mir auch jetzt. Ich bemerkte plötzlich, daß sich alles ringsum merkwürdig veränderte: Das Grün des Rasens wurde smaragden, kostbaren kleinen Laternen gleich flammten die verschiedenfarbigen Blüten der Cannastauden auf, der Himmel wurde, blauer, und die kurz zuvor von einem Regenschauer blankgewaschenen Keramikwände leuchteten in einem lustigen Gelb. Eine merkwürdige Vorahnung von einer nahen Begegnung mit etwas Schönem bemächtigte sich meiner und veranlaßte mich stehenzubleiben. Noch zögerte ich, doch das Vorgefühl verstärkte sich, und ich spürte, daß ich es mein Leben lang bedauern würde, wenn ich jetzt wieder vorüberginge.
Ich ahnte bereits, was mir bevorstand, freute mich über den glücklichen Zufall und durchschritt das gläserne Prisma des Eingangs.
Ich erinnere mich noch deutlich des eigenartigen Gefühls, das mich übermannte, als ich mich im Innern des Gebäudes befand. Die helle Leere des riesigen Saals wurde jäh durch die Glaswand unterbrochen, die von einem feinen Netz aus Aluminiumrahmen überzogen war. Durch die dumpfe Stille hallte das rhythmische Pochen eines unsichtbaren Schlegels, Tak-tak-tak tönte es und hallte von den Wänden wider. Tak-tak antwortete ihm bedächtig ein anderer. Auf dem Boden ballte sich ein zu Stein gewordener Wasserfall von Farben. Es roch süßlich nach heißem organischem Glas und frischgehobeltem Holz.
Im ersten Augenblick gewahrte ich niemand. Wie in einem Traum pochten die Schlegel und flimmerte die Sonne im Glas. Zu meinen Füßen dehnte sich ein Haufen steinernen Feuers: blauer Lasurit, Saphir und Türkis, grün schimmernder Malachit, Serpentin und Chrysopras, blutroter Karneol und Sardonyx. Ganz hingerissen von ihrer Pracht, merkte ich nicht gleich, daß mich ein schlankes junges Mädchen mit einer großen rechteckigen Brille aufmerksam betrachtete.
Ich weiß bis heute nicht, wodurch sich die Inkrustationstechnik vom Florentiner Mosaik unterscheidet, obwohl ich an jenem Tag lange den Erklärungen Swetlanas zugehört habe. Wir wanderten durch endlose Korridore, wir balancierten auf Stehleitern, wir stiegen über steinerne Gesichter und über Steinhaufen hinweg, und ich sog jeden Ton ihrer Stimme förmlich in mich ein, begriff jedoch nur so viel, daß ich von nun an immer wieder hierherkommen würde.
Am nächsten Tag brachte ich einen Helm mit. Alle meine Versuche hätten nur einen, höchstens zwei Tage in Anspruch genommen. Ich verteilte sie über zwei Wochen. Ich zeichnete Emogramme von bildenden Künstlern und Reinemachefrauen auf, von Mitgliedern des künstlerischen Rats, von zufälligen Besuchern und von ungeduldigen und anspruchsvollen Auftraggebern. Mißtrauischen demonstrierte ich die Wirkungsweise des Helms an mir selbst oder Swetlana.
Rund zehn Tage später lud ich Swetlana ins Institut ein. Sie war vom Laboratorium begeistert. Die Gummifrösche nahm sie in die Hand und streichelte ihre elastischen Rücken. Die kybernetische Ziege Maschka, unser unfehlbarer Geruchsindikator, zockelte mit nervös bebenden Nüstern hinter ihr her wie an einer Leine. Wenn Swetlana lachte, wurde Fedja, der Krake, blaßkarmesinrot, was ihm sonst nur bei den Klängen der »Mondscheinsonate« widerfuhr, und trachtete danach, ihr vom Schrank aus auf die Schultern zu plumpsen. Die grauen Mäuse tanzten im stillen Reigen zu ihren Füßen.
Ich führte Swetlana dechiffrierte Emogramme vor und erklärte ihr lange und nicht sehr verständlich die Bedeutung der Kurven. Ihr Gesicht wurde ernst, und die aufmerksamen grauen Augen hinter den Brillengläsern nahmen einen rätselhaften Ausdruck an. Wenn sie jedoch die Brille abnahm, verwandelte sich ihr Gesicht
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