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Das elektronische Glück

Titel: Das elektronische Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dieverse Autoren
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sich erproben zu lassen; Burzew sah mich vielsagend an; ihm war sofort klar, wem er das verdankte, zumal ich neben dem Opponenten saß. Ich aber wartete schadenfroh darauf, wie er sich aus der heiklen Situation herauswinden würde.
     Wußte ich doch sehr wohl, daß er nicht mit der Erzeugung von Zärtlichkeit oder eines anderen erhabenen Gefühls davonkommen würde. Die Demonstration mußte auf das Publikum Eindruck machen. Also blieben nur Emotionen übrig, nach denen der Doktorand nicht unbedingt mehr auf das Wohlwollen des Opponenten rechnen konnte.
     All das war Burzew nicht weniger bekannt als mir. Doch er beschloß, nicht zu kneifen, und bat den Opponenten um sein Einverständnis, die Erzeugung von Emotionen der Angst an ihm zu demonstrieren.
     »Probieren Sie's«, antwortete der hochmütig. »Aber ich bin keiner von den Ängstlichen.«
     Die Verteidigung fand bei uns im Institut statt. Auf Viktors Bitte wurde aus dem Vivarium ein Versuchshündchen geholt, ein zänkisches, rauflustiges Tier von der Größe einer Katze. Währenddessen bat Burzew den Opponenten, nach vorn zu kommen, und kündigte sich, ob er auch keine Angst vor Hunden habe. Mit großer Bescheidenheit erklärte der Opponent, daß er sich selbst vor Tigern nicht fürchte.
     Dann richtete Burzew den Apparat auf den Opponenten und rief dem Hündchen zu: »Beiß ihn!« Das zögerte nicht, von der Erlaubnis Gebrauch zu machen, und fing an zu kläffen.
     Daraufhin geschah etwas, das niemand erwartet hatte. Mit der Schnelligkeit eines guten Sprinters flüchtete der Opponent vor dem Hündchen in Richtung des Ausgangs. Und längs des Ganges, durch den er spurtete, sprangen die Leute von ihren Stühlen auf und warfen sich zur Seite über den Schoß ihrer Nachbarn hinweg – offenbar reichte der fächerförmige Strahl des Apparats noch bis zu ihnen. Im Saal entstand ein schreckliches Durcheinander, allerdings nur für wenige Augenblicke, denn Burzew schaltete den Apparat gleich wieder ab. Verdattert und rot wie ein Krebs kehrte der Opponent zurück. Zum Glück erwies er sich als ein Mann mit Humor und war dem Doktoranden nicht weiter gram. Lange und herzlich schüttelte er Viktor die Hand und streichelte sogar den Schuldigen an dem Tumult, der sich verängstigt an Burzews Beine schmiegte. Das Hündchen ließ sich die Gelegenheit natürlich nicht entgehen und schnappte nach seinem Finger.
     Burzews Generator lag meinem Apparat zugrunde. Daran war nichts Mystisches. Letztlich ist die Liebe ebenfalls eine Emotion, allerdings eine von höchster Qualität. Wenn der Generator fähig ist, Angst oder Zärtlichkeit hervorzurufen, warum sollte er dann nicht auch Liebe wecken können? Nach der Analyse einiger hundert Emogramme, die mich beinahe um den Verstand gebracht hätten, erkannte ich, daß eine Lösung des Problems möglich war.

    Warum geht die Freude immer mit Schmerz einher?
     Zu der Zeit, als die Skizzen zu dem Apparat fertig vorlagen, verrieten mir die Bänder der Emogramme, was ich befürchtet hatte. Es war tatsächlich so: Auf keinem einzigen von Swetlanas Emogrammen konnte ich die mir so vertrauten und nun nicht mehr rätselhaften Spitzen entdecken. Swetlana liebte mich nicht.
     Diese Entdeckung änderte scheinbar nichts. Nur, daß sich so etwas wie ein Schatten auf mein Dasein legte, und um ihn zu verscheuchen, hockte ich bis in die tiefe Nacht im Laboratorium. Ich opferte Hunderte von Fröschen und Kaninchen, ich malträtierte das Elektronenhirn mit Berechnungen. Glaubte ich doch, daß die Idee, die mir da gekommen war, sich als richtig erweisen könnte. Nur diese Idee war es auch, die mir half, denn meine Liebe zu Swetlana wurde immer heftiger.
     Und wie Gift schwärte in meinem Gedächtnis die Erinnerung an den Tag, da ich glaubte, nun werde alles anders.
     Nachdem wir eines Sonntags im Restaurant »Zum Siebenten Himmel« einen kleinen Imbiß eingenommen hatten, machten wir noch einen Spaziergang im Park. Es war Ende September, und Frauen in blauen Joppen fegten das dürre und welke Laub von den Wegen. Kaum noch eine Menschenseele war im Park, und, wie es schien, nur für uns spielte in der Estradenmuschel ein Blasorchester die Polonäse »Abschied von der Heimat«. Wir wanderten quer über den fahlen Rasen und harkten mit den Füßen das raschelnde Laub auseinander. Die grelle, aber nicht mehr heiße Sonne, der weiße Dunst am Horizont und die durch die Entfernung gedämpften Klänge der messingnen Blasinstrumente verliehen allem ein

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