Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das elektronische Glück

Titel: Das elektronische Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dieverse Autoren
Vom Netzwerk:
anfangen?«
     »Gleich…« Ich setzte den Helm auf und klopfte, um ihn zurechtzurücken, mit der Hand dagegen. Nur gut, daß die Konstruktion des Helms es heute nicht mehr erforderte, daß man sich kahlscheren ließ. Wie viele kuriose Situationen hatten sich daraus ergeben…
     »Fertig«, sagte ich und verspürte zu meiner eigenen Verwunderung weder Angst noch den Wunsch, den ganzen Kram hinzuwerfen. Mochte kommen, was wollte! Schließlich war das sogar interessant!
     »Saschka, ich bleibe in telefonischer Verbindung mit dir«, sagte Grosset. »Schrei, wenn was ist.«
    »Fangt an«, erwiderte ich.
     Irgendeine Stimme sagte: »Ich überprüfe seinen Glückspegel. Fünfunddreißig Prozent. Normal.«
     Ich schaltete das Licht aus. Im Dunkeln zu sitzen erschien mir angenehmer. Jetzt würde man meinen Glückspegel künstlich senken. Sie würden ihn auf den Nullpunkt bringen und dann versuchen, ihn auf hundert hochzutreiben.
     Man begann mein Innerstes »nach außen zu krempeln«.
     Zuerst warf man mich aus der Wohnung, dann kündigte man mir die Arbeitsstelle – mit der Begründung, daß ich meinem Posten nicht gewachsen sei. Sie experimentierten, für mich aber spielte sich das alles in Wirklichkeit ab. Marina sagte vorwurfsvoll zu mir: »Hast du's endlich soweit gebracht!« Ich war selbst ziemlich niedergeschlagen. Teufel auch, nie hätte ich gedacht, dem Posten eines leitenden Ingenieurs nicht gewachsen zu sein. Hatte ich in den zehn Jahren tatsächlich mein ganzes Wissen eingebüßt, oder hatte ich nie welches besessen, und es war nur keinem aufgefallen? Na gut, Arbeit zu finden ist bei uns kein Problem…
     »Tjaaa«, meinte Karminski bedauernd. »Und ich dachte immer, die Arbeit wäre für ihn alles.«
     »Sie dürfen nicht nach den Zahlen gehen«, sagte Edik. »Wir wissen noch nicht, wieviel Prozent die Arbeit bei uns ausmacht. Das läßt sich übrigens nachprüfen!«
     Das mit der Wohnung war schon schlimmer. Wie viele Jahre hatten wir in einer kleinen, stickigen Kammer gehaust. Dann erhielten wir dreißig Quadratmeter – und jetzt verloren wir wieder alles…
     »Nur null Komma zwei«, meldete Grosset.
     »Seltsam, seltsam«, sagte Karminski.
     »Daran ist gar nichts Seltsames«, verteidigte mich Inga. »Jeder hat seine eigenen moralischen Werte.«
     Mir die Anrichte, die Couch, die Stühle und den Fernseher zu nehmen hatte keinen Sinn. Das schienen alle zu begreifen.
     Und doch nahmen sie es mir. Alles verbrannte.
     »Aha! Vier Prozent!« meinte Anton Semigailo aufgeregt. Er freute sich, einen Gleichgesinnten gefunden zu haben. (Ich aber pfiff auf den ganzen Plunder. Man hat doch einen Kopf, um Geld zu verdienen und sich Neues anzuschaffen.)
     »Die Multivox ist ja auch verbrannt!«
     »Wir probieren es noch mal, alles einzeln«, sagte Karminski. »Couch, Anrichte, Tisch. Was noch?«
     »Küchentisch«, ergänzte Sergej.
     »Wieso gerade der Küchentisch?«
     »Darin bewahrt er doch seine Noten auf«, erläuterte Sergej grinsend.
     Er machte sich ganz offensichtlich über unseren Leiter lustig. Denn es war Karminski, der die Noten seiner Maschinensymphonien im Küchentisch aufbewahrte. Jener Symphonien, die unter seiner Leitung und nach seinen Programmen von einem Computer unserer Abteilung komponiert wurden. Das war Vitali Petrowitschs Hobby.
     Karminski aber leitete jetzt ein Experiment und war nicht zum Scherzen aufgelegt.
     »Küchentisch«, sagte er. »Fernseher. Diese… diese Anzüge und Kleider…«
     »Null Prozent«, stellte Edik fest.
     »Hat denn von seinem ganzen Hausrat nur die Multivox einen Wert?« fragte Karminski. »Das müssen wir überprüfen. Die Multivox.«
     »Vier Prozent.«
     Die Multivox hatte ich zusammen mit Grosset gebaut. Vier Jahre hatten wir uns damit geplagt. Und ein halbes Jahr später tauchten diese Instrumente in den Geschäften auf.
     Unseres aber war besser! Besser in dem Sinne, daß es speziell für uns geschaffen war. Wir verstanden es, und es verstand uns ohne viele Worte, genauer, ohne viele Gedanken, denn die Multivox gab musikalische Gedanken wieder, jene seltsame, unbegreifliche, unfaßbare Musik, die einem so oft im Kopf herumgeht. Mitunter war es zum Heulen, daß man sie nicht ausdrücken konnte. Erstens fehlte es uns an der musikalischen Bildung. Zweitens brauchte man, selbst wenn man diese besaß, ein Bindeglied zwischen Gedanken und Notenzeichen. Ein Komponist kommt auch ohne eine Multivox aus. Wir aber waren keine Komponisten und

Weitere Kostenlose Bücher