Das elektronische Glück
zusammen?
Die Liebe zur Musik? Ja. Anfangs war es nur das. Obgleich jeder ein anderes Verhältnis zur Musik hatte. Ich schätzte an der Musik nur die Improvisation und den Flug der Phantasie. Er die strenge, peinlich genaue Arbeit. Wenn ich mich an die Multivox setzte, dachte ich nie darüber nach, was ich spielen würde. Das kam erst während des Spiels. Edik dagegen rührte das Instrument wochenlang nicht an und brütete alles erst gründlich im Kopf aus. Und oft, sehr oft mußte ich zugeben, daß seine Symphonien gehaltvoller waren als meine Improvisationen.
Aber die Musik war nicht die Hauptsache. Wir verstanden einander einfach ohne Worte. Mir gefiel, daß er ein ehrlicher, immer wieder anderer Mensch war, der sich niemals wiederholte. Einmal, noch im Institut, bezog er für mich Prügel. Ich wußte nicht, daß man mich verprügeln wollte. Er aber wußte es und ging allein… Erst einen Monat später erfuhr ich davon. Edik aber verlor kein Wort darüber…
Jetzt gibt es ihn nicht mehr. Da ist zwar noch jemand mit dem Namen Grosset, mit seinem Gesicht und seiner Gestalt. Aber das ist nicht Edik. Ich spüre es, ich weiß es genau. Und meine Seele ist völlig leer. Wie soll man ohne Freunde leben?
»Zehn«, sagte Edik.
»Was zehn?« fragte Karminski zurück.
»Prozent.«
»Oho! Ausgezeichnet! Wir sind schon ziemlich weit. Bald können wir Schluß machen. Die nächste – Inga Grosset.«
Oh, mein Glück! Natürlich nicht meins, sondern Ediks. Allein schon der Anblick der beiden macht einen glücklich. An einem der Abende im Institut tanzte sie einen spanischen Tanz. Und wie sie tanzte… Die beiden lernten sich kennen. Nach einer Woche beschlossen sie zu heiraten. Ich selbst sprach im Auftrag des Fakultätsbüros mit ihnen darüber, ob eine so übereilte Heirat nicht leichtfertig sei. Was für eine Dummheit! Als ob die Zeit eine Rolle spielte. Bei ihnen war das ganze Leben ein ständiger Wechsel. Nichts Eingespieltes, nichts Abgeschliffenes, jeder Tag neu und anders.
»Vier Prozent«, sagte Edik.
»Ausgezeichnet.« Karminski freute sich. »Wer ist der nächste?«
»Aber warum mehr als bei Marina?« fragte Inga aus weiblicher Solidarität.
»Das könnt ihr später klären. Sergej Iwanow.«
»Null zwei. Fünf. Drei. Null fünf. Der Zeiger hüpft.«
»Häschen hüpfen!« brüllte Karminski. »Semigailo! Warum pfuscht die Apparatur?«
Meine Beziehungen zu Sergej waren kompliziert. Mit ihm zusammenzuarbeiten war eine reine Freude. Alles ging ihm leicht von der Hand. Als wir noch dabei waren, die Glücksindikatoren zu erarbeiten, konnte er an einem einzigen Tag ein rundes Dutzend Schaltungen entwerfen, verbinden und aufeinander abstimmen. Und sie funktionierten. Allerdings gelang es gewöhnlich keinem mehr, sie zu wiederholen. Sie funktionierten nur, wenn er sie mit eigenen Händen schuf. So war er zu Hause, im Wald und auch auf Dienstreisen. Wenn irgend etwas allen völlig unmöglich erschien, stürzte er sich, ohne lange zu überlegen, Hals über Kopf darauf. Und ihm gelang es. Mit dem Motorrad brachte er es fertig, Wege zu befahren, auf denen sogar Traktoren steckenblieben. Beim Schachspiel gewann er in hoffnungslosen Positionen. Er hatte eine leichte Hand und das seltene Talent, daß ihm alles glückte.
Zehn Jahre lang waren er, Edik und ich unzertrennlich. Dann zog er sich etwas von uns zurück. Das geschah, als mir klar wurde, daß ich seine Nina liebte.
Die Zeiger der Indikatoren tanzten, und Karminski schimpfte ohne jeden Grund mit Semigailo, den überhaupt keine Schuld traf.
»Alle Geräte arbeiten normal, Vitali Fetrowitsch.«
»Normal, normal. Dann integriere zeitlich.«
»Über welchen Zeitabschnitt?«
»Woher soll ich das wissen! Eine Minute.«
»Gut… Zwei sieben.«
»Anton Semigailo!«
»Null.«
»Alla Kuprina!«
»Null zwei.«
»Karminski!«
»Null.«
»Filatow! – Skripkin! – Der Präsident der USA! – Der Institutsdirektor! – Der diensthabende Klempner!…«
»Null, null, null…«
»Wo liegt der Fehler?« fragte Karminski. »Bleiben noch zwölf Prozent. Anscheinend haben wir doch alle genannt. Sowohl Bekannte als auch Unbekannte.«
»Die Gesundheit haben wir vergessen!« heulte Anton auf. »Mit der Gesundheit ist's so eine Sache!«
»Die Gesundheit!«
»Null.«
»Er will doch ein berühmter Komponist werden«, sagte Sergej.
»Wie kannst du nur, Sergej?« flüsterte Inga.
»Ruhm! Anerkennung!
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