Das Elfenportal
ein Klacks zu sein. Man rief Beleth an, wie man es immer tat, dann schnitt man dem Opfer die Kehle durch. Beleth saugte die Lebensessenz auf, besiegelte den Pakt und nahm die Seele des Jungen in die Hölle mit. Kinderleicht. Sobald Beleth weg war, musste Brimstone nur noch die Leiche loswerden, was bei laufender Leimproduktion überhaupt kein Problem war. Er würde sich nicht einmal mehr wegen Chalkhill den Kopf zerbrechen müssen. Mit Beleths Pakt in seiner, Brimstones, Tasche war Chalkhill Schnee von gestern.
Er ging zum Schrank und holte ein scharfes Messer heraus. Dann machte er sich daran, den Kreis erneut für die Anrufung Beleths herzurichten. Zwei Beschwörungen an einem Tag! Das war schon fast ein Rekord.
Pyrgus sah zu dem Alten, der in dem Dachzimmer hin und her flitzte, und versuchte herauszukriegen, wie viel Zeit ihm noch blieb. Er konnte es nicht fassen, dass ihn niemand durchsucht hatte. Die Wachen waren zu sehr damit beschäftigt gewesen, ihn zu verprügeln. Captain Pratellus war zu sehr damit beschäftigt gewesen, Freund und Helfer zu spielen. Chalkhill war zu sehr damit beschäftigt gewesen, für die eigene Zerstreuung zu sorgen. Und dieser alte Knabe – Brimstone – schien ebenfalls anderes im Kopf zu haben. Und so konnte Pyrgus nun heimlich, still und leise an seinen Fesseln herumsäbeln. Wie gut, dass er immer ein kleines Messer unten in der Tasche seiner Hosen aufbewahrte. Es war zwar nicht sonderlich scharf, aber für diese Arbeit würde es genügen. Vorausgesetzt, er hatte ausreichend Zeit.
Er hätte gern gewusst, was Brimstone eigentlich vorhatte. Chalkhill hatte gewollt, dass er ein paar Dämonen heraufbeschwor, die Pyrgus foltern sollten, und hier schien tatsächlich alles für eine Beschwörung vorbereitet zu sein – Pyrgus befand sich mitten in einem magischen Kreis. Aber ein Dreieck aus gebundenen Blitzen hatte er noch nie zuvor gesehen, und der Anblick des Messers, das Brimstone mit in den Kreis gebracht hatte, gefiel ihm kein bisschen. Der Alte hatte etwas vor, wovon nicht einmal Chalkhill wusste. Das verhieß nichts Gutes. Es gab Schlimmeres, als von ein paar niederen Dämonen gefoltert zu werden. Dieses Messer zum Beispiel.
Wenn er es nur schaffte, die Fesseln zu durchschneiden. Brimstone sah aus, als wäre er schon vor Jahren gestorben. Für einen alten Knaben hatte er Schwung genug, aber er war gebrechlich. Pyrgus schätzte, dass er ihm locker davonlaufen, ihm wahrscheinlich sogar ohne größere Schwierigkeiten das Messer wegnehmen konnte. Aber natürlich nur, wenn er seine Hände und Füße freibekam. Bis dahin war er ihm hilflos ausgeliefert.
Er verdoppelte seine Anstrengungen mit dem kleinen Messer.
Brimstone zog Symbole nach und zündete Kerzen an. Er warf einen Blick auf Pyrgus. »Bin gleich fertig«, sagte er munter.
»Was haben Sie mit mir vor?«, fragte Pyrgus. Er rechnete nicht mit einer ehrlichen Antwort, aber wenn er Brimstone am Reden hielt, konnte er vielleicht etwas Zeit herausschinden.
»Nichts, worüber du dir Sorgen machen müsstest«, erwiderte Brimstone prompt.
»Worüber muss ich mir denn Sorgen machen?« Es war schrecklich schwer festzustellen, wie weit er mit den Stricken war. Durchgeschnitten waren sie jedenfalls noch nicht. Aber wenigstens redete Brimstone jetzt.
»Über gar nichts«, sagte Brimstone. »Über ganz und gar nichts. Du wirst nichts spüren. Nun ja, fast nichts jedenfalls.« Er wandte sich von Pyrgus ab und hob ein großes Buch auf. »Und jetzt sei bitte still – ich habe zu arbeiten.«
Pyrgus sah beklommen zu, wie Brimstone mit der Beschwörung begann.
Pyrgus konnte es nicht fassen, was dort in dem Dreieck Gestalt annahm. Wie die meisten Jungen hatte er Bilder von Dämonen gesehen und in seinen Schulbüchern über sie gelesen. Aber diese Dämonen waren alle klein gewesen, höchstens ein paar Fuß groß. Übellaunig, zugegeben. Und gefährlich. Zu viele von ihnen, und sie zogen einem mit ihren scharfen kleinen Zähnchen das Fleisch von den Knochen. Manche besaßen sogar magische Kräfte – sie konnten Pflanzen eingehen lassen und alle mögliche Krankheiten verursachen. Und alle konnten sie einem in den Geist eindringen, wenn man so dumm war, ihnen in die Augen zu sehen. Sicher, als Haustier würde er sich keinen halten wollen, aber so furchterregend waren sie nun auch wieder nicht.
Doch das Ding in dem Dreieck war etwas anderes.
Es war riesig. Es war hässlich. Es war laut. Es stank. Es verströmte Boshaftigkeit und nackte
Weitere Kostenlose Bücher