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Das elfte Gebot

Das elfte Gebot

Titel: Das elfte Gebot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lester del Rey
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auffälligen Stelle auf dem Bildschirm im Zentrum zweier sich kreuzender haarfeiner Stränge geweckt. „Da liegt die Ursache des Problems, nicht wahr?“
    Er bejahte dies und versuchte ihr die Abbildung zu erklären. Zu seinem Erstaunen schien sie seiner Darstellung folgen zu können. Seiner Erkenntnis nach ließ der dort sichtbare Ausschnitt des Zellkerns, der die beiden Desoxyribonukleinsäure-Stränge – kurz DNS genannt – zeigte, klar erkennen, daß einige dazwischenliegende Brücken nicht ausreichend verkettet waren. Bei normaler Vermehrung in Nährlösung entstanden die störenden Instabilitäten gewöhnlich in den eine Kette bildenden Strängen – und eben diese Kette in ihrer Gesamtheit bestimmte die ungewöhnliche Leistung der Verwandlung von Abfallprodukten in verwertbaren Alkohol. Falls es ihm nun gelänge, etwa dreißig dieser Kettenteile durch einen Eingriff ohne Veränderung ihrer Eigenschaften funktionsfähig zu verketten, wäre gleichzeitig die gesamte Kette stabil und verfügte auch über die erwünschten Eigenschaften. Nicht zu erreichen war dieses Ergebnis jedoch unter Einsatz von Bestrahlung, denn dadurch würde mit Sicherheit die gesamte Zelle an dieser Schwachstelle vernichtet. Das Problem bestand darin, daß er verschiedene Chemikalien benötigte, die er zur Anregung der Zelltätigkeit ins Zellinnere praktizieren mußte.
    „Kann ich besorgen“, ließ sie ihn wissen. „Wir haben im Lager eine ganze Menge Chemikalien. Ich denke schon, daß der Verwalter mir sie überläßt.“
    „Ihr Freund?“ fragte er.
    Sie schüttelte verbittert den Kopf. „Ich habe keine Verehrer, Magister Boyd. Nicht, nachdem … nachdem er das getan hat. Man hält mich für … verseucht.“ Zorn zeigte sich auf ihrem Gesicht. „Und Sie Marsianer, seien Sie bloß still! Oder glauben Sie etwa, ich würde meine Mittagspause mit Ihnen zusammen verbringen, wenn es einen anderen gäbe?“
    „Was hat Ihr Mann denn getan, Ellen?“ fragte er. Ihre Worte hatten ihn verletzt, besonders deshalb, weil er um deren Wahrheit wußte. Nun schlug er zurück, mit Bedacht, obwohl er das haßte. „Oder haben Sie Angst, es mir zu sagen?“
    Alles Blut wich aus ihrem Gesicht, und ihr Nacken versteifte sich. Sie ballte eine Hand zur Faust wie jemand, der sich anschickt loszuschlagen. Dann lachte sie kurz und rauh auf. „Warum nicht, Boyd? Alle anderen wissen es, und vielleicht wollte ich es so haben. Er war immer schon ein bißchen seltsam. Aber nachdem man uns unser Kind weggenommen hatte, brütete er nur noch herum. Eines Tages – er kam gerade von einem Gespräch mit dem Priester unserer Gemeinde zurück – tat er sich etwas an, wonach er nicht mehr als Mann bezeichnet werden konnte! Danach verblutete er. Allerdings wurde es nicht eigentlich als Selbstmord gewertet. Man glaubt, ich hätte ihn dazu gebracht oder so ähnlich. Also gut, nun wissen Sie es. Wollen Sie immer noch Chemikalien haben?“
    Er fühlte sich scheußlich, was nicht nachgelassen hatte, nachdem sie wenig später mit mehreren kleinen Flaschen zurückkehrte. Aber sie schien seine Grobheit ebenso wie ihre bitteren Erinnerungen schon wieder vergessen zu haben. Beim Mittagessen saß sie wieder bei ihm, als ob nichts geschehen wäre, und gab sich alle Mühe, ihn von seinem Vorhaben abzubringen. Sie schien davon überzeugt zu sein, daß Vater Petty seine Augen überall hatte. Boyd lachte über ihre Ängste.
    Als er jedoch in seine Kabine zurückkehrte, fand er den Alten über den Bildschirm seines Mikroskops gebeugt.

4
     
     
     
    Boyd hielt den Atem an, als der Priester sich umwandte. Aber Petty zeigte kein Anzeichen von Zorn. Seine dünnen Lippen hatten sich sogar zu einem Lächeln verzogen.
    „Wie ich sehe, machen Sie beste Fortschritte bei unserem Projekt“, sprach er sichtlich erfreut. „Ich habe Sie ständig beobachtet, wollte mich aber nicht einmischen, bis Sie den Schlüsseldefekt gefunden hatten. Ein wundervolles Mikroskop haben Sie da. Jenes, das ich am Seminar benutzt habe, besaß nicht dieses Auflösungsvermögen, obwohl es derart schwer war, daß ein Mensch allein es nicht zu heben vermochte.“ Plötzlich kicherte er. „Und das nächste Mal, wenn Sie Chemikalien benötigen, brauchen Sie sich um Scherereien von meiner Seite aus nicht zu sorgen. Mir obliegt es nur, ein Auge auch auf solche Kleinigkeiten zu haben.“
    Boyd nickte. „Natürlich, Vater, ich …“
    „Ich weiß, Sie dachten, ich sei zu beschäftigt.“ Das Gesicht des Alten strahlte.

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