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Das elfte Gebot

Das elfte Gebot

Titel: Das elfte Gebot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lester del Rey
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Als er sich mit der Zunge die Lippen beleckte, sah Boyd, daß auch sein Zahnfleisch bluten mußte. Als er auf ihn zutrat, um ihm seine Hilfe anzubieten, wich der Mann zurück.
    „Nichts als Nasenbluten! Oh, lieber Himmel, sag mir, daß es nur Nasenbluten ist!“
    „Sicher, ist nur ein Nasenbluten“, beruhigte ihn Boyd. „Hatte selbst schon wesentlich schlimmeres. Ein bißchen kaltes Wasser wird die Blutung schnell zum Stillstand bringen.“
    Inzwischen aber zweifelte er selbst schon an seinen Worten. Die verletzten Kapillargefäße hatten bereits überall auf der sichtbaren Haut dunkelrote Flecken gebildet. Boyd warf einen Blick auf den Hals und war keineswegs überrascht, die Lymphknoten verdickt vorzufinden. Es war wesentlich schlimmer als ein normales Nasenbluten. Entweder befand sich der Mann in einem schon fortgeschrittenen gefährlichen Stadium einer Leukämie, oder aber er litt an einer thrombotischen Fehlfunktion, bei der die Blutabwehrzellen unfähig waren, der normalen Schädigungen durch die tägliche Belastung Herr zu werden.
    „Legen Sie sich erst einmal hin und beruhigen Sie sich“, empfahl er dem Mann. Falls er noch stärker in Panik verfiel, bestand wegen erhöhten Blutdrucks die Gefahr schwerer innerer Blutungen in der Lunge oder im Gehirn.
    Der Kellner betupfte seine Lippen mit einem schmutzigen Taschentuch. Jetzt erst schien er richtig zu begreifen. Der bisherige Schock, der Schrecken und die Ungewißheit wurden schlagartig vom Grauen der Gewißheit verdrängt.
    „Blut!“ schrie er plötzlich los. „Vorsicht! Blut!“ Mit einem mächtigen Satz war er blitzschnell an Boyd vorbei. Immerfort bei jedem Schritt „Blut!“ schreiend, stürzte er, von niemandem aufgehalten, durch die Tür nach draußen.
    Boyd nahm das fallen gelassene Taschentuch auf und begab sich ebenfalls zur Tür. Er trat auf ein herabgeschleudertes Tablett, das unter seinen Füßen wegrutschte, worauf er den Halt verlor und rücklings zu Boden stürzte. Schwer schlug er mit dem Kopf auf dem Fußboden auf. Zwar nicht besinnungslos, aber einen Moment lang ziemlich benommen, taumelte er wieder hoch und sah zwei Gestalten durch den Eingang ins Lokal hereinkommen. Sie waren völlig eingehüllt in dünne Plastikfolie, durch die hindurch er einen davon als Geistlichen und den andern aufgrund der blauen Kleidung als Arzt erkannte.
    „Hier ist noch jemand, der niedergeschlagen worden ist“, sagte der Arzt und wies auf Boyd. „Welche Nummer haben Sie, junger Mann?“
    Boyd nannte sie ihm, worauf der Priester sofort etwas Unverständliches vor sich hinsprach. Offenbar diente die Nummer als Beweis dafür, daß Boyd nicht der Gesuchte war. Der Doktor nickte nur und hob ein kleines Funksprechgerät an seine Lippen. „Wird bestimmt nicht lange dauern, bis wir den richtigen Burschen gefunden haben“, bemerkte er.
    So war es auch. Fast im selben Moment noch summte das Gerät, und er lauschte, dabei befriedigt nickend. Danach ließ er das Sprechgerät wieder an der Seite herunterhängen und wandte sich Boyd zu. „Alles klar, Sie sind ohnehin nicht der Typ, und nahe dran waren Sie sicher auch nicht. Diejenigen in der Nähe sind meistens sofort draußen. Sie sind sauber und können gehen. Wir müssen jetzt das Lokal entseuchen.“
    Während Boyd schon zur Tür hinausstolperte, hatten sie bereits mit dem Versprühen eines feinen Dunsts aus einem Zerstäuber begonnen. Die vorigen Gäste hatten sich schon völlig zerstreut. Genaugenommen erlebte Boyd zum erstenmal den Anblick einer leeren Straße. Irgendwo in der Ferne sah er eben noch eine Figur verschwinden, und undeutlich glaubte er noch den Schrei „Blut!“ zu hören. Sonst war alles still.
    „Boyd?“ Ellen schlüpfte aus einem Hauseingang heraus.
    „Sind Sie in Ordnung?“
    Er nickte. „Alles bestens. Danke, daß Sie auf mich gewartet haben. Was, um Gottes willen, ist hier passiert?“
    „Kaum in dessen Willen“, erwiderte sie. „Das war ein Bluter. Hat er – hat er Sie berührt?“
    Jetzt fiel ihm auf, daß sie sich in einiger Entfernung von ihm hielt. „Nein. Jedenfalls meinte der Doktor von der Entseuchungskolonne, daß ich nicht der Typ wäre – wissen Sie, was er damit sagen wollte? Und wieso muß entseucht werden?“
    Entweder wollte sie nicht – oder aber sie konnte nicht darüber sprechen. Noch zögernd, dann aber all ihren Mut versammelnd, kam sie an seine Seite. Boyd ahnte, daß sie gemessen an ihrem Wissen um die Geschehnisse ungewöhnlichen Mut und Freundschaft

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