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Das elfte Gebot

Das elfte Gebot

Titel: Das elfte Gebot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lester del Rey
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rationiertem Wasser und jeglichem Fehlen von Wasserleitungen ein echtes Problem. Verglichen mit den meisten anderen Frauen erschien sie ihm jedoch blitzsauber. Er hatte vergessen, daß er sie vor einem Monat vermutlich noch als schmutzig empfunden hätte. Schließlich willigte sie ein und wußte auch ein Lokal, wo man echten Fisch und mit etwas Glück sogar Gemüse bekam. Dennoch errötete sie über ihre Zusage. Er stellte sich die müßige Frage, was sie wohl täte, falls er sie zu küssen versuchte. Verflixt, sie war doch schon verheiratet gewesen. Welche Zimperlichkeiten erwarteten ihn noch in dieser verrückten Gesellschaft?
    Zu seiner Überraschung stellte sich das Essen als besser heraus, als der äußere Eindruck des Lokals anfänglich vermuten ließ. Es befand sich in einem Kellergeschoß, und Boyd war sicher, daß die Küche niemals einer Untersuchung einer Gesundheitskommission standgehalten hätte. Er fühlte jedoch keinerlei Verlangen, es darauf ankommen zu lassen. Er lernte mehr und mehr das Wegsehen. Tatsächlich gab es dort Gemüse: Allerdings Kartoffeln und Erbsen, die bereits seit Jahren getrocknet sein mußten. Aber er entdeckte, daß nicht alle Meeresfrüchte unbedingt gleich schmeckten: Das Barschfilet rechtfertigte fast den dafür verlangten Preis.
    Ellen aß wie ein kleines Mädchen, das zum erstenmal ausgeht. Ihre geschäftigen Augen huschten von einem Tisch zum andern. Diesmal jedoch lächelte sie mehr, als daß sie finster dreinblickte, was sie beinahe hübsch aussehen ließ.
    Als sich ihr Blick mit seinem kreuzte, wurde sie wieder nüchtern. „Boyd, mein Halbbruder Mort möchte sich gern mit Ihnen treffen“, sagte sie. Ihr Blick senkte sich, und sie betrachtete sorgfältig den Nachtisch, von dem sie eine Gabel voll zum Mund führte. „Ich habe ihm versprochen, den Menschen vom Mars darum zu bitten. Er sagte – er meinte, vielleicht könnte ich Sie mitbringen. An diesem Samstag ist das Fest des St. Bonaforte, und er dachte, wenn Sie es sich mit mir ansehen wollen – es ist unsere höchste Feier, deshalb sollten Sie sie nicht versäumen …“
    „Wenn ein Mädchen einen Mann darum bitten will, mit zu einer Feier zu kommen, fragt sie ihn einfach“, half er ihr auf die Sprünge. „Richtig? Oder lese ich aus dem, was Sie sagen, zuviel heraus?“
    Sie lächelte verlegen und studierte erneut den Nachtisch. „Nun, falls Sie kommen wollen, hätte ich nichts dagegen. Ich habe nichts anderes vor. Aber Mort will sich wirklich mit Ihnen treffen. Ich weiß nicht – ich versuchte ihm zu erklären, daß es nicht ginge, aber …“
    „Wird mir ein Vergnügen sein, ihm eine Monsterschau hinzulegen“, verriet er ihr. Überraschenderweise empfand er nicht einmal Bitterkeit darüber. Vielleicht brauchten die Menschen hier einfach den leichten Kitzel, der sie beim Anblick eines blonden Marsianers durchfuhr.
    „Ich weiß nicht …“, begann sie.
    Ein Schrei zerriß die Luft. Boyd zuckte zusammen und ruckte zurück, wobei er gegen den Stuhl des hinter ihm sitzenden Gastes prallte. Ellen schnappte matt nach Luft.
    Die Frau, die den Schrei ausgestoßen hatte, schrie unentwegt weiter, und andere Stimmen gesellten sich dazu. Ausgestreckte Finger wiesen auf einen der Kellner. Im schwachen Licht der Kerzen und Glühlampen konnte Boyd nur erkennen, daß dem Mann ein feiner Blutfaden aus der Nase abwärts lief. Als dann der Kellner sich mit leichenblassem Gesicht rundum wandte, sah er dunkle, blutunterlaufende Flecken auf seiner Haut. Auch die Lippen hatten sich fast schwarz gefärbt.
    „Blut – Blut!“ ertönte immer lauter das gellende Geschrei. Überall sprangen zu Tode erschrockene Gäste von ihren Sitzen hoch und jagten dem Ausgang zu. Panik breitete sich aus. Auch der Mann hinter Boyd schnellte hoch, stürzte los, stieß jemand anders um und kämpfte sich einen Weg aus dem Restaurant.
    Boyd schaute wieder zu Ellen hin, die sich jedoch schon von ihrem Platz freigerauft hatte, in die Menge gestürzt war und sich auf dem Weg zur Ausgangstür befand. Die anderen Kellner hatten sich der allgemeinen Flucht angeschlossen.
    Irgend jemand rempelte gegen Boyds Stuhl und lief ihn über den Haufen. Im Hochrappeln stieß er sich schmerzhaft den Kopf am Tisch. Als er endlich wieder stand, sah er sich allein mit dem erschrockenen Mann, der die ganze Geschichte in Gang gesetzt hatte.
    „Nichts als Nasenbluten, nichts als Nasenbluten, und ich habe mich in die Lippe gebissen“, stammelte schluchzend der arme Tropf.

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