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Das elfte Gebot

Das elfte Gebot

Titel: Das elfte Gebot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lester del Rey
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mußte, obwohl der Alkohol von süßen Geschmacksstoffen überdeckt wurde.
    „Betrunken oder überfallen?“ richtete ein junger Priester an ihn die Frage. Boyd sah auf und rieb sich den Hinterkopf. „Sind wohl niedergeschlagen worden, was? Seien Sie froh, daß Sie noch leben. Wissen Sie nicht, daß es nicht empfehlenswert ist, abseits der Hauptstraßen während der Feiertage allein herumzustreunen? Wegen Leuten wie Ihnen geraten schwache Menschen in Versuchung. Fühlen Sie sich besser, oder brauchen Sie ärztliche Behandlung?“
    Nach einem Schlag auf den Schädel hielt er das Argument von der menschlichen Schwäche für höchst unpassend. Er entdeckte an sich jedoch keinerlei Zeichen einer Gehirnerschütterung, so daß er entschlossen sagte: „Nein danke, von Kopfschmerzen abgesehen, fühle ich mich wieder ganz in Ordnung.“
    „Dann stellen Sie sich dort an“, wies ihn der Priester an. „Und ich schlage vor, Sie warten bis zum Hellwerden, bevor Sie nach Hause gehen. Das nächste Mal führen Sie aber gefälligst Ihre Mitmenschen nicht wieder in Versuchung!“
    Boyd reihte sich in die Schlange derjenigen ein, die auf medikamentöse Behandlung warteten. Schließlich war er an der Reihe und erhielt sein Kopfschmerzpulver, woraufhin er sich unverzüglich aufmachte, das abgesperrte Gebiet zu verlassen. In diesem Moment rief ihn ein Mann aus der Wartereihe an. Als er sich umwandte, erkannte er Harry, den Rikschafahrer, der gerade eine Injektion, vermutlich eine Vitaminspritze, bekam.
    „Wenn Sie noch ein bißchen in der Nähe bleiben, Mister, kann ich Sie nach Hause fahren. Menschenskind, habe ich einen hängen. Hab’s gerade noch bis hierher geschafft, um mich aufzunüchtern.“
    Boyds Geldbörse war natürlich weg. Keine völlige Katastrophe, da er das meiste seines Geldes zu Hause gelassen hatte, aber er konnte es sich nicht leisten, noch mehr zu verschwenden. Harry mußte seine Lage erraten haben.
    „Geht auf meine Rechnung, Mister“, sagte er. „Darf sowieso am Sabbath nicht arbeiten, aber bei Ihnen wär’s mir ein Vergnügen. Sie haben mir Glück gebracht, ehrlich. Nachdem ich mit den anderen Jungen geteilt hatte, haben wir noch ein kleines Spiel gemacht – und was glauben Sie, da hab’ ich doch ’n Hunderter gewonnen. Am nächsten Tag hat sich dann meine Schwester wieder mit ihrem Mann versöhnt und ist ausgezogen. Glück muß der Mensch haben. Hier, setzen Sie sich schon hin. Eine Hand wäscht die andere.“
    Boyd war es nur recht. Harry lief auf seinen unermüdlichen Beinen los, unberührt von seinem Kater, falls er überhaupt einen hatte. Währenddessen brach der Morgen an. Die kleinen Kirchen waren bereits geöffnet und schienen Rekordbesuch zu haben … Bestimmt die halbe Bevölkerung war auf den Beinen, um Vergebung für ihre Sünden zu erbitten.
    Plötzlich rief Harry ihm über die Schulter zu: „Sieht so aus, als ob Ihr Mädchen auf Sie wartet.“
    Und richtig – Ellen saß auf den Treppenstufen. Während Boyd aus der Rikscha kletterte, erhob sie sich gelassen. Sie war ruhig, kühl und gefaßt.
    „Wo sind Sie gewesen?“ verlangte sie zu wissen. „Ich war bereits in der Kirche. Sie hatte ich längst aufgegeben – was wohl nicht mehr als recht war, nachdem Sie mich im Stich gelassen haben.“
    „Ich Sie im Stich gelassen?“ Er war nicht in Stimmung, es mit weiblicher Logik bei der Erklärung von Ereignissen aufzunehmen. „Gut, ich habe Sie also im Stich gelassen. Aber Sie sehen nicht so aus, als ob Sie lange in diesem Zustand geblieben wären.“
    Sie lächelte kühl. „Mag sein. Aber ich erwartete eigentlich eine Erklärung von Ihnen. Jetzt klingen Sie genau wie Mort.“
    „Sachte, Miß“, mischte Harry sich ein, der sich gegen die Rikscha lehnte und alles mit gutmütiger Belustigung verfolgte. „Er ist überfallen und niedergeschlagen worden und erst vor kurzem wieder bei Besinnung.“
    Schlagartig verlor sich ihr Hochmut, und sie beugte sich herüber, um seine Beule zu begutachten. Von der Kathedrale her läutete das große Glockenspiel eben die sechste Stunde ein. Bei dessen Klang fuhr sie schuldbewußt zusammen.
    „Ich muß sofort heim, Boyd. Ihnen geht’s doch gut, oder?“
    Er nickte verdrossen. Zwar blieb sein Argwohn gegen sie weiterhin bestehen, aber eigentlich ging es ihn ja auch nichts an. „Harry, erstreckt sich Ihre Gunst auch auf die Dame?“
    „Aber sicher“, erwiderte Harry. „Soll mir eine Freude sein.“
    Sie beugte sich vor und gab ihm erneut einen

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