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Das elfte Gebot

Das elfte Gebot

Titel: Das elfte Gebot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lester del Rey
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und opferten sich bereitwillig. Deshalb seid gepriesen, Ihr Himmel und Ihr, die Ihr dort weilet. Wehe den Bewohnern der Erde und der See! Denn der Teufel ist gekommen und weilt unter euch, er hat große Eile, denn er weiß, seine Zeit ist knapp.“
    Dieses Mal konnte sogar Boyd erkennen, daß es sich lediglich um eine wilde Ansammlung von Zitaten und Gemeinplätzen handelte, die vorgetragen wurden, um vertraute Phrasen einsickern zu lassen, damit die Zuhörer die Botschaft langsam aufnehmen konnten. Stephan predigte von seinem Kreuzzug als einem heiligen Krieg. Er bettelte nicht um Nachfolger. Er predigte zu der gesamten Bevölkerung, als gehörte jedermann bereits zu seiner Gefolgschaft und zu seinen informierten Legionen. Nach dem oberflächlichen, übersimplifizierten Schmant, den die Menschen normalerweise in ihren Radios zu hören bekamen, war das schon ganz schön harter Stoff. Und so, wie es begonnen hatte, ging es weitere zwanzig Minuten lang, bis Boyd fühlte, wie die Muskeln seiner Arme und Schenkel im mitreißenden Takt der Stimme zu zucken begannen.
    Dann, so subtil, daß fast kein Übergang zu bemerken war, wurde die Botschaft sanfter und versprach Hoffnung und Zuversicht. Wunder konnten geschehen. Die Hand des Gottes der Vergeltung war gleichzeitig die Hand des Gottes der Liebe.
    „Eine große Pest hatte den Ozean erfüllt, die Grundsubstanz unseres Lebens war in Gefahr. Ihr wißt davon nichts, ich aber sage euch, so verhielt es sich. Der Schatten des Untergangs lag in der Nacht über euch allen, doch ihr habt seinen Atem nicht gespürt. Ein Instrument der Gnade errettete uns, noch bevor wir wußten, daß die Notwendigkeit dazu bestand. Aus der kalten und höllischen Einöde Satans kam die Bedrohung über uns, zu böse und bedrohlich für die Abgründe der Hölle selbst. Denn Unser Herr kann selbst solche Waffen gegen das Böse einsetzen, die uns verderben würden. Boyd Allen Jensen, MX491 – der vierhunderteinundneunzigste Verbannte des Mars – wurde entsandt von der seelosen Einöde des Mars, um das Leben in unseren Seen zu erretten. Und mit meinen eigenen Augen sah ich sein Instrument der Gnade kämpfen gegen die Mächte der Finsternis. Und euch wurde die Rettung zuteil. Der Vater im Himmel kennt weder Grenzen noch ein Ende Seines zärtlichen Schutzes Seiner Kinder.“
    Das rüttelte Boyd aus seinem Halbschlaf und ließ ihn leise fluchen. Vielleicht war es aber auch gar nicht so schlecht. Sein Ärger ließ ihn kritischer werden, als der Blinde Stephan zum Crescendo seiner Rede kam, einem gewaltigen Bild der Glorreichen, die ihre Saat über den gesamten Planeten und schließlich bis an die Grenzen des Universums verbreiten sollten. Selbst die abschließende Rückkehr zu einer kaum verhüllten Botschaft des Krieges ließ ihn kalt.
    Die Worte endeten so abrupt, wie sie begonnen hatten, eine volle Minute der Stille folgte. Benommen schaltete Larkin das Radiogerät ab. „Mein Gott!“ sagte er. „Mein Gott! Ich frage mich, ob er Piloten benötigt?“
    In dieser ganzen Stunde hatte er keinen wirklichen Sinn in die Worte bringen können. Kein vernünftiger Mensch hätte ein so desorganisiertes, zielloses und bedeutungsloses Geschwafel vortragen und dann noch auf ansehnliche Resultate hoffen können. Trotzdem hatte es funktioniert.
     
     
    Larkin war noch immer in seinen inneren Visionen gefangen, als sie am frühen Nachmittag in New City landeten. Boyd sah mit Erleichterung, wie sie auf dem Landefeld aufsetzten und dem Dreirad zustrebten, das ihn zum Laboratorium bringen sollte.
    Das Tosen der Stadt schlug wieder über ihm zusammen. Schon seit Wochen war er diesem Trubel fern gewesen, seine Erinnerung daran war verblaßt. Noch niemals war ihm aufgefallen, wie sehr er alles akzeptierte, vom ersten Tag an bis heute, da er alles wieder frisch vor sich sah. Der Geruch war noch immer da, die überfüllten Straßen, der Lärm, die mißgestalteten Krüppel und die Kinder, die sich um die Abfälle stritten. Sie rannten an seiner eigenen Straße vorüber, in die er entsetzt hineinstarrte. Es schien unglaublich, daß er im Zentrum eines solchen Schmelztiegels von Menschen gelebt haben konnte, ohne jemals einen Blick auf seine Umgebung zu werfen. Dann, als er an dem Haus von Buckel-Pete vorüberging, schien alles wieder einzurasten, wurde vertraut und fast normal. Darin lag der tatsächliche Schrecken – in der Tatsache, daß er so langsam zu einem integrierten Bestandteil der Milliarden Menschen der Erde

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