Das Elixier der Unsterblichkeit
Menschen auf die beste Weise?«
Sein Rektor, der ehrfurchtgebietende Talmudkenner Morteira, führte den jungen Mann in einen dunklen Winkel des Schulgebäudes, legte ihm die Hand auf die Schulter und dämpfte seine Stimme. »Bento, was ist los mit dir? Du bist nicht wiederzuerkennen. Du verhältst dich sonderbar. Alle hier im Haus sind beunruhigt und verwirrt. Und deine Fragen – sie sind sehr gefährlich! Kein Jude kann sich mit solchen Grübeleien abgeben, wie sie in deinem Kopf herumspuken. Davon wird man verrückt. Du musst dich von unguten Gedanken befreien. Studiere den Talmud, das wird dich auf den rechten Weg zurückführen. Es gibt überall böse Zungen. Das kann übel für dich enden. Wenn deine Worte in die falschen Ohren gelangen, kann es für uns alle gefährlich werden. Habe ich mich klar genug ausgedrückt?«
Doch die Fragen drängten sich immer weiter auf, und Bento war nicht der Mann, der schwieg. Als die Zeit gekommen war, sammelte er seine Aufzeichnungen und stellte sie in einer Schrift zusammen. Sein kraftvolles Plädoyer für die Freiheit des Geistes sorgte in den jüdischen Kreisen Amsterdams für helle Aufregung. Und weitere Schriften folgten.
DER JÜDISCHE RAT GREIFT EIN
Unter Berufung auf eine höhere Wahrheit wollte der jüdische Rat Bento zum Schweigen bringen. In der Hoffnung, er würde bereuen und das, was er geschrieben hatte, zurücknehmen, bestellte man ihn zu einem Verhör. Zur Verwunderung aller bekannte er sich – und schien sogar stolz darauf zu sein – schuldig all dessen, was man ihm vorwarf. Obwohl alle Mitglieder des jüdischen Rates Michael Spinoza hoch schätzten und niemand Bentos brillanten Intellekt in Zweifel zog, fühlten sie sich verpflichtet, Gerechtigkeit walten zu lassen.
»Wir verurteilen deinen Sohn, lieber Freund«, erklärte der Vorsitzende des Rates seinem Vorgänger Michael Spinoza, »nicht für das, was er gesagt und geschrieben hat. Es war höchst unbedacht von ihm und kann seiner Jugend zugerechnet werden. Aber was geschehen ist, kann nicht ungeschehen gemacht werden. Wir verurteilen ihn, damit er sich nicht erneut zu ketzerischen Ansichten hinreißen lässt und damit andere seinem Beispiel nicht folgen. Wie du dich erinnern wirst, haben wir im Falle deines Halbbruders Uriel genauso argumentiert.«
Ich versuche zu verstehen, wie und warum die Mitglieder des jüdischen Rates Bento zum Ketzer abstempelten und ihn aus der Gemeinde vertrieben.
Heute ist es einfach, diese Männer als närrische Greise zu bezeichnen und ihre Beschlüsse ins Lächerliche zu ziehen. Aber damals konnten Bentos Thesen das Denken der Menschen beeinflussen, Verwirrung schaffen und die Dynamik in der jüdischen Gruppe bedrohen. Am meisten fürchtete der Rat, dass der Bürgermeister Amsterdams auf Bentos Religionskritik reagierte. Die Niederlande waren ein moderner Staat, von effizienten Geschäftsleuten gelenkt, die den liberalen Ideen der Zeit anhingen, religiöse Toleranz praktizierten und Juden akzeptierten – doch nur so lange, wie diese, im Unterschied zu Bento, sich nicht erlaubten, alles in Zweifel zu ziehen, was man überhaupt in Zweifel ziehen konnte.
Die alten Männer des Rates vermochten nicht darüber hinwegzusehen, dass der junge Mann die Thora in Frage gestellt hatte. Es war nicht hinnehmbar, dass er die Vorstellung ablehnte, das jüdische Volk sei durch Moses Gesetz gebunden und Gottes auserwähltes Volk. Was diese Frage anging, hatte Bento, so meinte man, alle Grenzen überschritten.
Der Rabbiner Isaac de Fonseca Aboab las den Text vor: »In Übereinstimmung mit dem Urteil der Engel und den Aussagen der Heiligen verfluchen, verurteilen, verstoßen und verbannen wir Bento Spinoza. Mit Zustimmung des seligen Gottes und dieser heiligen Gemeinde angesichts der heiligen Bücher der Thora und der sechshundertdreizehn Vorbemerkungen, wie es darin geschrieben steht, sprechen wir über ihn den Bann aus, mit dem Josua Jericho verdammte und Elisa die bösen Buben verurteilte, und mit Verfluchungen, wie sie im Gesetz verkündet sind.
Verflucht sei er am Tage und verflucht in der Nacht, verflucht, wenn er sich niederlegt, und verflucht, wenn er aufsteht, verflucht, wenn er geht, und verflucht, wenn er kommt. Möge der Herr ihm nie verzeihen und möge Gottes Zorn fortan über diesen Menschen kommen und ihn mit all der Verdammung belasten, die im Buch der Gesetze beschrieben wird. Und der Herr soll seinen Namen unter dem Himmel auslöschen und der Herr soll ihn zu seinem
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