Das Elixier der Unsterblichkeit
Tinte getauchte Stahlfeder war sein Schreibwerkzeug. Mit unermüdlicher Schaffenskraft zeichnete er die philosophischen Arbeiten auf, die seinem Bruder ein wachsendes Ansehen verschafften. Nie verlangte er etwas für sich selbst, und schon gar nicht einen Platz auf einem Buchdeckel. Stattdessen wünschte er, dass Bento anerkannt und rehabilitiert wurde, am besten durch eine Entschuldigung des jüdischen Rates in Amsterdam, Mahamad.
Bentos Gesundheit war angegriffen. Von seiner Mutter hatte er schwache Lungen geerbt, in die jetzt Glasstaub aus der Linsenschleiferwerkstatt eingedrungen war. Er litt unter zunehmender Atemnot und großen Schmerzen im ganzen Körper. Nachts hatte er zuweilen Schüttelfrost und hohes Fieber. Er klagte darüber, dass sein Körper ihm nicht mehr gehorchte und im Begriff sei, sich aufzulösen, was Benjamin schwer bedrückte. In dem gleichen Maße, in dem Bento an Körpergewicht verlor, schwand seine Lebenskraft.
Benjamin machte seinem Bruder Umschläge mit Kräuterauszügen und rieb seine Brust mit einer beißend riechenden Salbe ein. Doch weder dies noch Aderlässe halfen; die Schmerzen wollten nicht weichen. Die Hilfe eines Arztes in Anspruch zu nehmen konnten die Brüder sich nicht leisten. Um die Druckkosten für die unter Bentos Namen veröffentlichten Schriften aufzubringen, hatte Benjamin von vielen Seiten Geld leihen müssen. Er war hoch verschuldet und die Gläubiger weigerten sich, ihm weiteren Kredit zu geben.
Bento resignierte. Benjamin grübelte, und bald fand er eine Lösung.
DIE RETTUNG IN DER NOT
Benjamin würde heiraten, um dem Bruder zu helfen. Er schrieb einen poetisch formulierten Heiratsantrag an eine um ein paar Jahre ältere sephardische Frau in Rijnsburg, von der bekannt war, dass sie über ein großes väterliches Erbe verfügte.
Dass es einer so reichen Frau nicht an Freiern mangelte, war selbstverständlich. Aber alle, die sich einstellten, ließen sich entweder von ihrer Hässlichkeit abschrecken, oder die Frau hielt deren Absichten für unseriös, da sie sich mehr für die zu erwartende Mitgift interessierten als für ihre Person. Deshalb begab sich Mafalda Fonseca jeden Freitagabend, wenn andere Frauen Arm in Arm mit ihren Männern zum Sabbatgottesdienst spazierten, eiligen Schrittes zur Synagoge, um Gott zu fragen, warum er es ihr verweigerte, die Liebe zu finden.
Mafalda hatte sich nie vorstellen können, dass das jüdische Spanisch einen so angenehmen Klang hatte und so viele schöne Wörter enthielt. Verzückt las sie Benjamins Brief wieder und wieder, während ein ungekanntes Feuer in ihr aufflammte und ihre runden Wangen erglühen ließ. Zum ersten Mal in ihrem Leben begann Mafalda, die sich in ihrer Einsamkeit lange ohnmächtig gefühlt hatte, ernsthaft über die vielen Möglichkeiten der Liebe nachzudenken. Sie sagte sich, dass es noch nicht zu spät für sie war, und beantwortete Benjamins Brief schon am Nachmittag desselben Tages.
Einen Monat später fand die Hochzeit statt.
Benjamin wusste wenig über Frauen. Alles, was in der Hochzeitsnacht geschah, war neu für ihn, sehr leicht und sehr schwer zugleich.
Mafalda ergriff sofort die Initiative und behielt sie die ganze Nacht. Benjamin war erfreut darüber, dass die hässliche Frau, die er geheiratet hatte, unter dem Kleid so schön war. Zugleich wunderte er sich, dass jemand sich so leidenschaftlich für seinen Körper interessierte. Als sein zuvor anscheinend leblos herabhängendes Glied sich zu voller Erektion aufrichtete, kam ihm ein Segensspruch in den Sinn, den er still für sich rezitierte: »Baruch Atah Hashem mechayei hameitim« (Gesegnet sei Gott, der die Toten auferweckt).
Er hatte nie daran gedacht, dass der physische Genuss bei einer Frau laute und zugleich klagende Rufe verursachen konnte. Mafalda erschreckte ihn ein wenig, aber er fühlte sich sehr glücklich.
Nach der Liebe teilten sie ein Glas Rotwein.
Mafalda war dankbar, dass der Herr mit Wohlwollen auf sie geblickt hatte. Endlich hatte sie einen jüdischen Mann gefunden, und ihr Bund würde so glücklich sein wie der ihrer Eltern, deren warmherzige und liebevolle Verbindung sie all die Jahre hindurch in freundlicher Erinnerung behalten hatte. Außerdem war ihr Mann gelehrt, lieb und zärtlich. Ein Mann, der durch seine Nähe und Berührung ihr Begehren geweckt hatte. Ein Mann, der freigebig seinen Samen in das Kinder erzeugende Feld in ihrem Schoß säte. Alle Freuden der Ehe lagen in Reichweite für sie.
Was konnte sie
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