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Das Elixier der Unsterblichkeit

Das Elixier der Unsterblichkeit

Titel: Das Elixier der Unsterblichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabi Gleichmann
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verstehen. Mit ansteckendem Enthusiasmus entwickelte er seine Ideen.
    Er kam oft auf Gott zurück. Er betonte, dass Gott weder eine Ursache habe noch einen Anfang. Gott sei immanent und nicht transzendent, dozierte er. Der Gott, von dem er sprach, hatte wenig gemeinsam mit dem Gott des Christentums und des Judentums. Sein Gott hatte keine menschlichen Eigenschaften. Er war weder mit dem Vater noch mit dem Schöpfer vergleichbar.
    Benjamin betonte, dass man nie etwas lieben könne, dessen Bedeutung man ganz verstehe. Liebe baue auf dem stimulierenden Gefühl auf, dass einem etwas entgehe.
    Er sprach auch über Zusammenleben, Mut und Gesundheit, Geld und Wohltätigkeit, physische Aktivitäten und Genüsse. Er vertrat die Ansicht, dass sich der Mensch, wenn er das Leben genießt, der Vollkommenheit und der göttlichen Natur annähere.
    »Heiterkeit kann man nicht übertreiben, denn sie ist immer gut«, schärfte er seinen Zuhörern ein. »Schwermut dagegen ist immer von Übel.«
    Er verfocht den Gedanken, das Schlimmste sei eine Furcht, die auf Unwissen und Aberglauben beruhe und auf die viele Mächtige die Moral gründen wollten. Dagegen müsse die Moral auf Rechtschaffenheit aufbauen, die mit einem höheren Wert zusammenhänge – dem Guten. Ohne Einsicht in das Gute, so war seine entschiedene Meinung, könnten die Regierenden ihrer Aufgabe nicht angemessen nachkommen.
    Benjamin betonte, dass Unterricht in Philosophie nicht allein eine wissenschaftliche Schulung des Denkens, sondern in ebenso hohem Maße eine Charakterschulung darstelle, eine Persönlichkeitsbildung. Studien seien dabei nur ein Mittel, um tiefere Einsichten in beständige und universelle moralische Grundwerte zu gewinnen.
    Die Studenten waren von Benjamins Argumentation meistens so angeregt, dass sie am Ende der Vorlesung applaudierten und den Hörsaal in strahlender Laune verließen.
    Der Dekan der Universität war Benjamins Nachbar, und gemeinsam verbrachten sie lange Abende mit anregenden Gesprächen. Der Dekan bewunderte Benjamins Intellekt und lobte seine Fähigkeit, den Studenten seine originellen Gedanken zu vermitteln. Aber er mahnte ihn auch zur Vorsicht, denn ihm war klar, dass Benjamins Ideen schockierend wirken konnten – niemand vor ihm hatte in Freiburg so kühne Thesen formuliert. Also empfahl er dem Philosophen eine gewisse Zurückhaltung, denn wenn er mit seinen Spekulationen über die Macht fortführe, könne dies ins Utopische führen. Und wenn seine Schriften den Männern der Kirche in die Hände gerieten, sei mit einem wahren Sturm zu rechnen.
SOCIETAS JESU
    Es dauerte nicht lange, bis mächtige katholische Augenbrauen hochgezogen wurden. Deutschen Bischöfen, Mitgliedern des Ordens Societas Jesu, kamen beunruhigende Berichte über Benjamins Unterricht zu Ohren. Man sandte Spione aus, die Beweise sammelten. Sie kamen zurück und brachten viel Sprengstoff mit. Die Spione bezeugten unter Eid, Benjamin habe mit Nachdruck betont, dass ein falscher Gottesbegriff die Quelle geistiger Unfreiheit sei und dass die Auslegung biblischer Texte durch die katholische Kirche den Ausgangspunkt von Intoleranz und Unterdrückung bilde.
    Die Berichte der Spione erregten große Verärgerung unter den Bischöfen. Sie ertrugen es nicht, dass ein Jude die Kirche Jesu Christi schmähte.
    Der Großmeister der Geheimloge, Balthasar von Uhrs, der im Ruf stand, ein beflissener Gottesdiener zu sein, nahm sich der Aufgabe an, den Angriff zu leiten. Er versprach, verschiedene probate Mittel einzusetzen. Die Bischöfe fühlten sich sicher und rieben sich siegesgewiss die Hände: Der Großmeister war mit dem Waffenarsenal vertraut, das der Kirche zur Verfügung stand, um Feinde auszuschalten. Mit finsterer Miene setzte von Uhrs eine Anklageschrift auf, in der er Benjamin des Atheismus bezichtigte und behauptete, seine Philosophie sei der reine Okkultismus. Der Großmeister verlangte, der Herzog von Hohenkrampen müsse diesen jüdischen Ketzer wegen der Verbreitung von Irrlehren vor Gericht stellen.
    Benjamin nahm von Uhrs’ Schrift mit Gelassenheit zur Kenntnis. Dass er bei katholischen Bischöfen in Ungnade gefallen war, kümmerte ihn wenig. Sein Freund, der Dekan, befürchtete, Benjamin würde seine Tage als Entehrter beschließen. Deshalb riet er ihm, einen Teil seiner pointiertesten Äußerungen zurückzunehmen und Abbitte zu leisten. Benjamin nahm gern jeden Rat entgegen, der von Fürsorglichkeit diktiert wurde. Aber in diesem Fall weigerte er sich.
    »Man

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