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Das Elixier der Unsterblichkeit

Das Elixier der Unsterblichkeit

Titel: Das Elixier der Unsterblichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabi Gleichmann
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KABBALIST
    Abrabanel ben Israel war es, der die Arbeiten der Brüder entdeckte.
    In der
Enzyclopaedia Judaica
heißt es über ihn: »Abrabanel ben Israel (1616–1688), geboren als Solomon Des Pino-Zaah in Andalusien, auch ABI genannt, war ein in Holland tätiger sephardischer Gelehrter, Kabbalist, Diplomat, Schriftsteller, liberaler Rabbiner, Gründer der ersten jüdischen Buchdruckerei. Er korrespondierte mit führenden Philosophen und Angehörigen von Königshäusern seiner Zeit in Europa. Im Jahre 1655 besuchte er Oliver Cromwell in London und sprach im Parlament. Mit Hilfe seiner glänzenden Argumentationskunst gelang es ihm, die Abgeordneten im Oberhaus zur Aufhebung eines Gesetzes zu bewegen, das seit 1290 Juden verboten hatte, sich in England niederzulassen. Er war auch ein guter Freund von Rembrandt, der sein Porträt gemalt hat.«
    Ich will sogleich verraten, wer sich hinter dem Namen Abrabanel ben Israel verbarg. Kein Geringerer als Salman de Espinosa. Er verlor seine Verwandten in Amsterdam nicht aus den Augen, wie er auch das Leben von seinen Kindern und Kindeskindern und von deren Kindern und Kindeskindern in Spanien und Portugal aus der Distanz verfolgt hatte. Er zog es vor, unter verschiedenen Namen aufzutreten, um seine wahre Identität nicht preiszugeben. Zu diesem Zeitpunkt war er weit über dreihundert Jahre alt, wenn er auch wie ein Mann in den frühen mittleren Jahren aussah, denn er konnte nicht sterben.
    Ich mache es mir selbst schwer, wenn ich jetzt zulasse, dass einer meiner Einfälle die Oberhand gewinnt. Aber ich musste – apropos Tod – plötzlich an die Kabbala denken.
    Ich war neun Jahre alt, als mein Großonkel uns zum ersten Mal von Salmans Vater Moishe erzählte, und ich beschloss sofort, natürlich eher intuitiv als aufgrund eines ausreichenden Faktenwissens, dass ich Kabbalist werden wollte wie er. Ich stellte mir vor, ein Kabbalist wäre ein vornehmer Adliger, der Furchtlosigkeit und Würde ausstrahlte und in einer eleganten Rüstung auf einem stolzen weißen Pferd einherritt. Vermutlich hatte ich die Wörter Kabbalist und Kavallerist verwechselt.
    Einige Jahre später erhielten mein Bruder Sasha und ich eine detaillierte Darlegung dessen, womit die Kabbalisten sich beschäftigten: Dass sie mit Hilfe eines ausgeklügelten Systems den numerischen Wert der Wörter berechneten, um auf diese Weise verborgene Zusammenhänge im Dasein und ewige Wahrheiten unter den unablässigen Bewegungen der Himmelssphären zu finden.
    Mit dreizehn Jahren führte ich, gemäß den Anleitungen, die mein Großonkel uns gegeben hatte, eine kabbalistische Berechnung durch, die auf den Buchstaben in Sashas Namen und unserem gemeinsamen Geburtsdatum basierte. Ich muss böse auf meinen Bruder gewesen sein, aus irgendeinem Grund, den ich seit langem vergessen habe, denn ich kam mit Hilfe der Zahlenmystik zu dem Ergebnis, dass er kurz nach seinem siebzehnten Geburtstag eines tragischen Todes sterben würde.
    Erfüllt von Zweifel und Selbstsicherheit, aber unwissend in Bezug auf beides, berichtete ich schon am folgenden Tag meinem Großonkel von meiner Berechnung. Er war der einzige, dem ich davon erzählen konnte, mein Favorit und mein Vertrauter, obwohl er eigentlich nicht zu unserer Familie gehörte. Ich fühlte mich mit ihm tiefer verbunden als mit einem meiner Blutsverwandten, Mutter und Vater, Großmutter und Großvater, Sasha. So lieb und anhänglich sie auch waren, es gab eine unüberwindliche Barriere zwischen uns, die Fragen und Vertraulichkeiten ausschloss. Mit meinem Großonkel war es anders.
    Dieses Ereignis habe ich mein ganzes Leben mit mir getragen. Fragt mich nicht, warum. Ich habe oft Dinge vergessen, an die ich mich erinnern wollte. Zu anderen Gelegenheiten drängen sich mir Bilder aus der Vergangenheit auf, losgerissene Wörter, Licht, Düfte, ohne dass ich nach ihnen gerufen hätte.
    Ich sah einen Funken von Erstaunen und Angst in den Augen meines Großonkels. Er legte sein Gesicht in Falten und nahm mich in den Arm. Überrascht hob ich den Kopf und sah, dass er Tränen in den Augen hatte. Dann lächelte er und sagte, meine Berechnung müsse einen Fehler enthalten.
    Er hatte natürlich recht: Irgendwo hatte sich ein kleiner Zahlenfehler eingeschlichen. Denn Sasha wurde nicht älter als fünfzehn Jahre.
EIN NEUES KAPITEL
    Abrabanel ben Israels enthusiastisches Empfehlungsschreiben hatte die beabsichtigte Wirkung, und angesehene Lehranstalten in Europa interessierten sich nicht nur für

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