Das Elixier der Unsterblichkeit
sah sie ein, dass die Weiblichkeit ihr wichtigstes Kapital war. Sie war einundzwanzig Jahre alt, hatte üppige Pobacken und reife Brüste mit Warzen, die rund und hart waren wie Kastanien. Sie dachte eine Weile nach, wog das Für und Wider ab. Da sie nie die Absicht gehabt hatte, ein Vorbild an Tugend und Ehrbarkeit zu werden, fasste sie einen unwiderruflichen Entschluss: Sie würde sich mit Leib und Lust einem neuen Tätigkeitsfeld verschreiben.
Die Frauen auf den Straßen von Birgittenau, die sich prostituiert hatten, bevor sie lesen lernten, waren wie Aufziehpuppen, fand Arabella, lediglich darauf bedacht, von einem Tag zum nächsten zu funktionieren. Sie selbst wollte mit ihrem Körper etwas Besseres anfangen, Kunst schaffen, die sich nicht an die Masse richtete – an Arbeiter und Handwerker mit schwieligen Händen, übelriechenden Körpern und schnellen Ejakulationen –, sondern an die Kenner, die mit den fetten Brieftaschen, die sich Zeit nahmen und den Genuss der Liebe zu schätzen wussten.
Als sie entdeckte, dass Liebhaber mit hohen Titeln ihren eigenen Genuss erhöhten, suchte sie das Salon Rouge auf, ein elegantes Etablissement für einen erlesenen Kundenkreis mit großem Vermögen und hohen Ansprüchen.
Sie war aufsehenerregend schön, und Madame Sonja brauchte nicht viele Minuten, um zu erkennen, dass sie ein großer Gewinn für ihr Haus sein würde. Die Bordellmutter gab ihr den Künstlernamen Arabella la Douce und reimte die Geschichte zusammen, dass sie eine vielversprechende Opernsängerin aus Paris sei. Schon am ersten Abend wurde ihre behauptete Jungfräulichkeit an Fürst Schwarzenberg verkauft, der immer willens war, für ein wenig zusätzliche Spannung großzügig zu bezahlen.
Dank ihrer natürlichen Begabung brachte Arabella es schnell zu großen Erfolgen. Zunächst war sie selbst überrascht. Aber sie lernte rasch, aus ihrer Macht über Männer Genuss zu ziehen. Ihr Ruf als »heißeste Frau in Wien« machte in mondänen Kreisen bald die Runde.
BESUCH IM SALON ROUGE
Rudolfs Erfahrungen auf dem Gebiet der Liebe waren begrenzt und konnten kaum jemandem imponieren. Bei Frauen war er bemerkenswert täppisch, ängstlich und phantasielos. Es lief ihm kalt den Rücken hinunter, wenn er auf dem Weg ins Salon Rouge war, um sich ein wenig Genuss zu stehlen. Manchmal blieb er am Eingang stehen und überlegte minutenlang – hin und her gerissen zwischen seiner Lust und der ihm eigenen Feigheit gegenüber Frauen –, ob er hineingehen sollte oder nicht.
Dieser Tempel der Erotik verfügte über ein reichhaltiges Angebot für alle denkbaren Geschmacksrichtungen; für gewisse Kunden gab es auch kleine Jungen. Am ersten Abend, an dem Rudolf Arabella begegnete, hatte er die Auswahl zwischen einem jungen Mädchen mit flachbrüstiger Figur, einer verheirateten Bürgerin mit schaukelnden Hüften und schwerem Hinterteil, einer Orientalin aus dem Harem des Sultans im Jemen und einer vielversprechenden Sängerin der Pariser Oper mit Feuer im Leib.
Er bat um Letztgenannte, denn er hatte von einem Bekannten, einem für seine Liederlichkeit und seine pikante Ausdrucksweise berüchtigten Baron, gehört, näher als an dem feuchten Ort zwischen den Schenkeln dieser Femme fatale könne man dem Himmelreich in dieser vergänglichen Welt nicht kommen.
Nachdem sie die Bezahlung entgegengenommen hatte, zeigte Madame Sonja Rudolf den Weg zu einem Zimmer ganz oben im Haus. Nur erlesene Gäste hatten Zutritt zur obersten Etage, und Rudolf war zum ersten Mal hier. Der Raum war größer als die, an die er gewöhnt war. Mitten im Zimmer stand ein gigantisches, von sechs großen Leuchtern umgebenes rundes Bett. Die brennenden roten Kerzen verbreiteten einen berauschenden Duft. Rudolf fühlte sich schon benommen und schwindelig, als die Bordellmutter kaum die Tür hinter sich geschlossen hatte. Verzauberung lag in der Luft, die Atmosphäre war magisch aufgeladen.
Auf der Bettkante saß Arabella la Douce. Sie erhob sich und kam Rudolf mit verführerischen Schritten langsam entgegen. Er hatte noch nie ein schöneres Wesen gesehen. Wie verhext stand er da und wagte kaum zu atmen. Aus ihren großen dunklen Augen leuchtete tierisches Begehren.
Sich ihrer starken erotischen Ausstrahlung wohl bewusst, schwang sie den Kopf, sodass Spangen und Haarnadeln sich lösten und ihr langes schwarzes Haar über ihre Schultern fiel. Ein wollüstiges Zucken fuhr durch Rudolfs Körper, während sie die Knöpfe ihrer Bluse öffnete. Er konnte
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