Das Elixier der Unsterblichkeit
Erzbischof des Burgenlands war.
August hörte mit einem Lächeln auf den Lippen und zur Seite geneigtem Kopf zu. Der Rat, den er Heindrich gab, war ebenso einfach wie naheliegend. In jener Zeit war es üblich, dass junge Adlige von einer Frau mit einschlägiger Berufserfahrung in die Schlafkammerspiele eingeweiht wurden. Wenn Rudolfs jugendlich glühende Fleischeslust sich austoben könnte, würde sich die Unruhe seines Wesens mildern und seine Aggressivität gedämpft werden, meinte der Bischof.
»Willst du damit sagen, lieber Cousin, ich sollte Rudolf mitnehmen ins Salon Rouge?«, fragte Heindrich verwundert.
»Die deinem Sohn innewohnende männliche Kraft, seine Streitlust, muss auf die bestmögliche Art und Weise kanalisiert werden. Er muss sich die Hörner abstoßen. Sieh also zu, dass der Junge eine Frau trifft, die einen Mann aus ihm machen kann.«
Heindrich seufzte. August ergriff seine Hand und drückte sie fest. »Verlass dich auf mich«, sagte er in dem gleichen Ton, in dem er seine Sonntagspredigt zu halten pflegte.
Noch am Abend wurde Rudolf ins Arbeitszimmer des Vaters gerufen. Heindrich bot ihm ein Glas trockenen Sherry an.
»Mon fils«, sagte er und zündete sich eine Zigarre an. »Eines Tages wirst du das Oberhaupt der Familie zu Biederstern sein und musst für alles um uns her die Verantwortung übernehmen.«
»Das kann ja nicht besonders schwer sein«, unterbrach ihn Rudolf.
Heindrich überhörte den Kommentar und fuhr fort: »Deshalb ist es wichtig, dass du unterschiedliche Situationen erlebst und Menschen aller Art triffst. Morgen werde ich mit dir nach Wien fahren, um dir neue Erfahrungen zu ermöglichen. Wir werden einen Ort besuchen, den manche das Haus der magischen Augenblicke nennen. Dorthin gehen Männer unseres Standes, um für ein paar Stunden die Welt zu vergessen, aber nie, um die wahre Liebe zu finden.«
ARABELLA LA DOUCE
Dadurch dass Heindrich zu den Vätern eingegangen war, blieb es ihm erspart, Rudolfs Hochzeit zu erleben, das Gesprächsthema des Jahres in der Wiener Gesellschaft.
Rudolfs Zukünftige war nicht die erste, die durch Heirat aus einfachem Stand in den Adelsstand aufstieg, und er war nicht der erste, der sich aus blinder Verliebtheit verleiten ließ, unter seinem Stand zu heiraten. Gleichwohl war seine Entscheidung bei der Wahl der Ehefrau für die meisten Mitglieder der Aristokratie unfassbar. Dass er, mit seinen überwältigenden Vorzügen hinsichtlich Stellung und Vermögen, sich von der Schönheit einer käuflichen Frau habe blenden lassen, reichte als Erklärung nicht aus. Manche hielten die Hochzeit für einen bizarren Scherz.
Arabella Braun war unter Bettlern, Huren, Zuhältern und alkoholisierten Arbeitern in Wiens Armenviertel Birgittenau zwischen verfallenen Häusern aufgewachsen. Ihr Vater, ein lungenkranker Witwer, der zur Flasche griff, um seine Angst zu dämpfen, versorgte seine sieben Kinder als Perückenmacher. Seine Frau, die er immer noch liebte, war mit einem Zigeuner durchgebrannt. Sie hatte seine Gewalttätigkeit nicht länger ertragen.
Arabella glaubte, es sei ihr Fehler, dass die Mutter die Familie verlassen hatte. Sie war die einzige Tochter. Ihr Vater begnügte sich nicht damit, sie zu schlagen, sondern jagte sie auch auf das im Freien stehende Plumpsklo, um sie zu betatschen, bis sie so verzweifelt weinte, dass er sie losließ und schrie, sie sei eine schmutzige Hure, genau wie ihre weggelaufene Mutter. Zwischendurch überkamen ihn Gewissensbisse. Dann steckte er dem Mädchen zwei Groschen zu, damit sie sich ein Stück Kuchen kaufen konnte.
Als Arabella ein gewisses Alter erreicht hatte und ihr Vater sah, dass die Jungen im Viertel ihr Blicke nachwarfen, empfand er einen gewissen Stolz. Oft durchfuhr ihn jedoch auch ein eisiger Schrecken, wenn er an ihre schöne Figur und ihr prachtvolles schwarzes Haar dachte: Welche Freude hat ein armes Mädchen an seiner Schönheit?
Arabella beschloss schon früh, sich nach oben zu kämpfen. Sie wollte etwas werden, etwas Großes, Wunderbares und Bedeutendes ausrichten, geschätzt werden und Ansehen gewinnen. Sie hatte eine schöne Singstimme und kannte einige italienische Opernarien auswendig. Sie träumte davon, sich als Sängerin im Opernchor zu etablieren. Obwohl sie keine Mühe scheute – sie ließ den Direktor des Opernhauses mit den intimsten Teilen ihres Körpers vertraut werden –, war ihren Anstrengungen kein Erfolg beschieden.
Eines Morgens, als sie nackt vor dem Spiegel stand,
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