Das Elixier der Unsterblichkeit
einem wackligen Pult, machte Osbernus Aufzeichnungen über alles, was im Keller vor sich ging.
Baruch stand rechts vom König, den Blick niedergeschlagen. Er bebte angesichts der bevorstehenden Folterzeremonie. Der Anblick der Folterkammer war grauenerregend, und durch nichts in seinem bisherigen Leben war er darauf vorbereitet. Er würde sich zeitlebens an jede Einzelheit erinnern.
Der König nahm an, dass sich die selbstsichere Haltung des Arztes in der Folterkammer verflüchtigen würde. Aber Antunes hielt den Kopf erhoben. Entweder war er ein mutiger Mann, oder er rechnete mit einer wundersamen Rettung im letzten Augenblick.
Nachdem Alfonso Henriques erklärt hatte, dass es für ein so schwerwiegendes Verbrechen keine Gnade geben könne, begann die Folterung damit, dass der Arzt geblendet wurde. Die bleichen Wangen des Henkers wurden noch weißer, als er zu Werke schritt. Es sah aus, als hätte er Mitleid mit seinem Opfer. Von Antunes’ Stirn tropfte der Schweiß, und ein Rinnsal von Urin bildete sich auf seiner Hose, aber er gab keinen Laut von sich.
Danach öffnete ein Folterknecht die Pulsadern des Arztes. Das dunkle, zähflüssige Blut wurde in einer Schale aufgefangen. Doch es floss allzu langsam aus dem mageren Körper des Arztes, weshalb auch an den Beinen ein Aderlass erforderlich wurde, damit das Leben ihn verließe. Jetzt endlich konnte man aus der Kehle des sterbenden Antunes schwaches Ächzen und Stöhnen vernehmen.
Obwohl es kalt war im Keller, war Baruch schweißgebadet, während er den Henker sein Werk verrichten sah. Er hörte kaum, dass der König ihm befahl, das Blut mit einem Kräuterextrakt zu vermischen und ein Heilmittel gegen Verrat daraus herzustellen.
Ein anderer Folterknecht trennte mit einem Schwerthieb den Kopf des toten Arztes vom Körper. Der Kopf wurde auf einen Pfahl gespießt und von Soldaten fortgebracht, die ihn auf einem Hügel vor der Stadt zur Schau stellen sollten. Anschließend lud der König alle Mitglieder des Rates und des Hofes zu Brot, Käse und Wein in den Festsaal ein. Wie ausgehungerte Tiere stürzten sie sich auf Speis und Trank.
»Es geht doch nichts über gutes Essen«, bemerkte Alfonso Henriques und fügte mit einem höhnischen Lachen hinzu: »Besonders, wenn man Blut hat fließen sehen.«
HEILMITTEL GEGEN VERRAT
Ein Kräuterextrakt gegen Verrat erforderte die Künste eines Zauberers. Baruch fürchtete um sein Leben. Er wusste nur zu gut, dass er weder über das Wissen noch über die Erfahrung verfügte, einen solchen Trank herzustellen. Er wusste auch, was ein Misslingen nach sich zöge, nämlich dass man ihn umgehend zu den Folterknechten in den Keller des Schlosses verfrachten würde. Das Erlebnis in der Folterkammer gab seiner Phantasie genügend Nahrung, um ihn in düstere Stimmung zu versetzen. Er wagte nicht, sich jemandem anzuvertrauen, hatte der englische Priester Osbernus ihn doch gewarnt: Vertraulichkeit verwandelte sich oft in Klatsch, der alsbald am Hof die Runde machte. Er nahm seine Zuflucht zu Gebeten und mischte das geronnene Blut in einem großen Kupferkessel mit verschiedenen Kräutern, deren heilende Wirkung er kannte. Er fügte zwei Liter Quellwasser hinzu und rührte die Mischung langsam und ohne Unterbrechung drei Tage und drei Nächte über einem schwachen Feuer. In der ganzen Zeit tat er kein Auge zu. Als er fertig war, probierte er die rötliche Flüssigkeit. Seine Wangen begannen zu glühen, als er einen Schluck nahm. Es schmeckte bitter.
Baruchs Nerven waren zum Zerreißen gespannt, als er das Mittel gegen Verrat präsentieren sollte. Alfonso Henriques und der Rat waren im großen Saal des Palasts versammelt. Die Brüder Costa und Benvindo lehnten an der Wand, sie sahen nachdenklich aus. Auch der Chronist Osbernus war anwesend. Er warf ängstliche Blicke zu Baruch hinüber, denn er wusste um die Launenhaftigkeit, mit der der König sein Reich regierte.
Kardinal Berenguer las zur Einleitung einen Text über Papst Damasus I., den Heiligen, dessen man an diesem Tag gedachte. Es folgte ein kurzes Gebet, dann war der Augenblick gekommen, in dem Baruch den magischen Kräuterextrakt vorführen sollte. Er hatte indessen kaum zu sprechen begonnen, als Alfonso Henriques ihm ungeduldig ins Wort fiel.
»Ich bin überzeugt, dass jedes Mitglied des Rates mit mir übereinstimmt: Dieses bedeutungsvolle Mittel sollte von den Tapfersten unter uns ausprobiert werden. Costa und Benvindo, tretet vor.«
Die Brüder machten lange Gesichter.
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