Das Elixier der Unsterblichkeit
Costa starrte kleingläubig vor sich hin. Benvindo öffnete den Mund, aber ihm fiel nichts ein, was er sagen konnte. Sie gingen mit zaudernden Schritten zu Baruch und nippten schweigend von dem Gebräu. Dann knieten sie vor dem König nieder.
Unter den Mitgliedern des Rates wurde Gemurmel laut. Bevor jemand sich äußern konnte, befahl Alfonso Henriques den Herren, ebenfalls zu Baruch zu gehen und von dem Mittel zu trinken. Es wurde totenstill. Alle wussten, dass das einzig Vernünftige war, sich zu fügen.
Mit zitternder Hand gab Baruch jedem Mitglied des Rates einen Löffel von dem Kräuterextrakt. Es war offensichtlich, dass keiner von dem bitteren Geschmack angetan war, denn alle sahen gequält aus. Aber sie schluckten folgsam das rötliche Getränk und knieten vor dem König nieder.
Als alle Untertanen derart gegen Verrat geimpft waren, griff der König nach einem Lederbeutel an seinem Gürtel und warf ihn Baruch zu. »Hier hast du zehn Goldmünzen als Lohn für deine Arbeit. Von heute an bist du mein Leibarzt. Aber bedenke: Alles an meinem Leibarzt – nicht nur seine Medizin, auch der Gesichtsausdruck, die Gebärden, die Kleidung, die Rede, die Blicke, die Art, mich zu berühren –, alles muss mir gefallen.«
Der Triumph war unerwartet. Baruch verschlug es den Atem. Aber er fasste sich und brachte seine Dankbarkeit mit einer Beredtheit zum Ausdruck, die ihn selbst überraschte. »Ich danke Eurer Hoheit für die ehrenvolle Aufgabe, die Ihr mir in Eurem großen Wohlwollen zugedacht habt. Ich werde zu unserem Herrn beten, dass er Eure Gesundheit erhalten und die Ehre Eurer Hoheit mehren möge. Ich werde Euch mein Leben lang dienen, in demütiger Unterwerfung unter Euren wohlmeinenden Rat und in freiwilligem Gehorsam. Möge unser Herr Euch in seine heilige Gnade einschließen.«
HERAUS AUS DEM DUNKEL DER GESCHICHTE
Um die Mitte des zwölften Jahrhunderts tritt in Lissabon ein junger Jude aus dem Dunkel der Geschichte hervor. Er nennt sich Baruch de Espinosa. Es gibt keine Porträts und keine Lebensbeschreibungen von ihm. Was ich über diesen Mann weiß, von dem ich im sechsunddreißigsten Glied abstamme, habe ich von meinem Großonkel gehört. Er war es, der meinem Zwillingsbruder Sasha und mir erzählte, dass Baruch der Leibarzt des Königs Alfonso Henriques war, was unserem jüdischen Ahnvater viele für die damalige Zeit ungewöhnliche Privilegien verschaffte.
Im Jahr 1158 verbreitete sich ein Gerücht – das weit über die Grenzen Portugals hinausgelangte –, dass Baruch de Espinosa, der Leibarzt des Königs, die übernatürliche Macht besitze, Krankheiten auszutreiben und mit seiner Medizin alte impotente Männer in virile Stiere zu verwandeln. Viele sahen in ihm eine Art Erlöser, vom Himmel als Antwort auf die Gebete und Rufe der Verzweifelten gesandt. An manchen Tagen sammelten sich die Kranken zu hunderten vor dem Palast und flehten um Hilfe. Auch königliche Sendboten aus fernen Ländern rangelten um einen Platz auf der Bank vor seinem Laboratorium, um seine Medizin in ihre Heimat bringen zu können.
Baruchs Kräuterextrakte wurden mit Erfolg gegen Leiden wie Kopfschmerzen, starke Blutungen, Gliederschmerzen aller Art, Nierensteine, Gallensteine und Krämpfe angewendet. Sie wurden auch beim Ziehen von Zähnen reichlich eingesetzt, und eigens für die Hofdamen gab es einen Extrakt zur Linderung von Menstruationsschmerzen.
Meinem Großonkel zufolge gelang es Baruch, mit Hilfe eines Absuds aus einem Teil Baldrian, zwei Teilen Salbei und Blut aus dem linken Flügel einer neugeborenen weißen Taube, den ältesten Sohn des Königs wieder zum Leben zu erwecken. Der Junge war gestorben, nachdem er sich an Wildkastanien vergiftet hatte. Mein Großonkel behauptete auch, Baruch habe ein geheimes Kraut gezüchtet, das den Tod abschreckte, sodass er sich fernhielt.
Unser Ahnvater verfasste ein Dutzend Schriften über Krankheiten und verschiedene Pflanzen, deren Nutzaspekt er eingehend beschrieb. In seinen Schriften wies er vielfach darauf hin, dass die Natur nichts hervorbringe, was ewig sei, nur Gott könne das Unendliche erschaffen.
Viele Jahre seines Lebensabends widmete Baruch dem Studium des Chamäleons. Diese Echse war für ihn so faszinierend und bemerkenswert, dass er ein ganzes Buch über ihr Aussehen, ihre Eigenschaften und innere Beschaffenheit sowie über die magischen Kräfte des kleinen Warmzünglers verfasste. Besonders erstaunlich war für ihn die Tatsache, dass das Chamäleon die Farbe
Weitere Kostenlose Bücher