Das Elixier der Unsterblichkeit
seinem Leben. Er spürte die Gewissheit, dass alles, was geschah, im Einklang mit der Logik des Lebens geschehen würde. Dann und wann drang das Rufen alter Nachteulen an sein Ohr. Ihm schien, als wollten die klugen Vögel verkünden, dass Baruchs großer Tag gekommen war.
AUF DEM SCHLACHTFELD
Die Schlacht begann um neun Uhr am Vormittag auf dem weiten Feld vor der Stadt Pontevedra. Alfonso Henriques vertraute der Geschicklichkeit der schnellen Reiter. Im Sattel seines stolzen Streitrosses fühlte er sich unüberwindlich. Er blickte über sein Heer hin, das zum Angriff bereitstand. Aber die Sonne verbarg sich hinter den Bergen, und Nebel legte sich wie ein Schleier über das Feld. Alles erschien seltsam und entrückt.
Der König zog sein neues Schwert. Es war eine magische Waffe, die zu heben zehn Männer gebraucht wurden. Alfonso Henriques jedoch kannte das Geheimnis des Schwertes und wusste, welchen Griff man beherrschen musste, damit es in der Hand nicht mehr wog als eine Feder und die Klinge auch den härtesten Stein durchschlug. Nur war er nicht allein mit diesem Wissen. Meister Martes, der das Schwert geschmiedet hatte, war ja bei der Arbeit nicht selten betrunken, und dann verplapperte er sich ungehemmt.
Den Portugiesen standen armselige Verbände galicischen Fußvolks gegenüber, die sich in einem betrüblichen Zustand befanden. Bevor die Trompeten zur Attacke bliesen, galoppierte Alfons Henriques allein auf den Feind zu, um den schlecht ausgerüsteten Galiciern einen Schrecken einzujagen. Aber vor allem war er darauf aus, die magische Kraft seines neuen Schwertes zu erproben. Es war indessen nicht wohlbedacht, allein vorweg zu reiten, denn als er sich den galicischen Soldaten näherte, traf ihn ein Pfeil in die Brust oberhalb des rechten Lungenflügels. Der König fiel vom Pferd und brach sich bei dem Sturz ein Bein und mehrere Rippen. Er brüllte auf, nicht vor Schmerz, denn den spürte er noch nicht, sondern vor Zorn. Sein Pferd galoppierte davon. Plötzlich hob sich der Nebel, und im portugiesischen Lager brach Verwirrung aus. Als die Soldaten ihren König am Boden liegen sahen, verließ sie der Mut. Wie gelähmt und mit panischen Blicken sahen sie, wie eine Schar galicischer Soldaten sich Alfonso Henriques näherte.
Baruch erkannte die Gefahr und stürmte aufs Feld, um dem König Hilfe zu leisten. Obwohl er klein war, bewegte er sich schnell und erreichte den König vor den Galiciern. Er warf einen raschen Blick auf die feindlichen Soldaten, deren gebräunte Gesichter verschlossen waren wie die von Bauern. Sechs von ihnen kamen mit gezogener Waffe auf ihn zu. Baruch packte Alfonso Henriques’ schweres Schwert, hob es mit einem Ruck vom Boden und parierte den Schlag des ersten Galiciers. Es tönte wie Glockenklang, als die Klingen sich trafen, dann trennte er den Feind in der Mitte durch. Er erschlug noch zwei weitere Galicier. Das Schwert traf den einen, wo die Nackenmuskeln von den breiten Schultern aufstiegen, dem anderen durchbohrte er mit der Spitzes des Schwertes den Unterleib. Die drei übrigen wurden von Angst gepackt und ergriffen die Flucht. Da spannten zwölf galicische Soldaten ihre Bogen und schossen auf Baruch, doch die Pfeile fielen zu Boden, bevor sie ihr Ziel erreichten. Baruch fühlte sich von einer beschützenden Kraft umgeben und spürte, dass nichts ihm schaden konnte. Er half dem König auf und brachte ihn in Sicherheit.
Die Wunde in Alfonso Henriques’ Brust bereitete dem König jetzt ungeheure Schmerzen. Er bekam Fieber, verlor viel Blut und schwebte zwischen Leben und Tod. Als Baruch bemerkte, dass die Portugiesen tatenlos dastanden, brüllte er sie an, den Feind anzugreifen und für ihren König zu kämpfen. Er wunderte sich über die Kraft seiner Stimme. Um den Eindruck seiner befehlenden Worte zu mildern, fügte er leise hinzu: »Geht schonend mit den Galiciern um, sie sind auch nur Menschen.«
Dann mischte er Blätter eines getrockneten Heilgewächses, die er in seinem Ranzen mit sich führte. Er säuberte die Wunde in Alfonso Henriques’ Brustkorb und presste die dunkelroten Kronblätter hinein.
Nachdem die Galicier kapituliert hatten, fuhr ein Wagen über das Schlachtfeld und sammelte die Gefallenen aus Alfonso Henriques’ Armee ein. Die Verluste an diesem Tag beliefen sich auf zwanzig Bogenschützen und Fußsoldaten, eine Handvoll Reiter und eine geringere Anzahl von Lasttieren. Ganz oben auf dem Wagen landete ein furchtbar verstümmelter Körper, es war der des
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