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Das Elixier der Unsterblichkeit

Das Elixier der Unsterblichkeit

Titel: Das Elixier der Unsterblichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabi Gleichmann
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Baruch, »begegnete ich einem Greis – ich bin überzeugt, dass es unser großer Prophet Moses war –, der eine Prophezeiung aussprach: Wenn ich die Gebote hielte, die auf seinen Steintafeln eingeritzt waren, und das große Geheimnis fände und bewahrte, würden meine Kinder und Kindeskinder tausend Jahre erhobenen Hauptes auf Erden wandeln. Das bedeutet, dass wir Hüter des Elixiers der Unsterblichkeit sein werden. Doch wenn jemand einen einzigen Fehler macht, wird er der Letzte dieses Geschlechts sein.«
    Baruch machte eine Pause und sagte dann mit Nachdruck: »Du musst immer auf der Hut sein. Viele sind besessen von dem Traum eines ewigen Lebens und bereit, alles Erdenkliche zu tun, um in den Besitz des großen Geheimnisses zu gelangen. Sogar dich zu töten.«
    Simon hörte genau zu. Er stellte keine weiteren Fragen. Er versprach noch einmal, die Tinktur nie zu kosten, das Geheimnis zu bewahren und es nur seinem ältesten Sohn weiterzugeben.
    Das Wissen um die Pflanze Raimundo und die Tinktur, die ewiges Leben schenkt, wurde von den ältesten Söhnen in vier Generationen der Familie de Espinosa rigoros gehütet.
DIE LEIBÄRZTE
    Man geht weithin davon aus, dass Menschen, die sich in der Nähe der Macht bewegen, teilhaben an den Ereignissen oder beeinflusst sind von den Ideen, die die Epoche prägen. Aber die Wirkung des politischen Intrigenspiels drang zu den Ärzten, die den Namen de Espinosa trugen, kaum durch. Im Unterschied zu anderen königlichen Leibärzten blieben sie als Juden von vielem ausgeschlossen und betrachteten die Ereignisse am portugiesischen Hof aus einer gewissen Distanz.
    Ihr Außenseitertum gab ihnen nicht nur ein Gefühl von Fremdheit, es lehrte sie auch, ausweichend, servil und ausdauernd zu sein, bewahrte sie aber zugleich vor jeder Form von Überheblichkeit und Machtlust. Sie machten sich blind für Intrigen und taub für Schmeicheleien. Sie waren ehrlich, auf eine trockene Weise unsentimental, und sie richteten ihr Augenmerk auf nichts anderes als harte Arbeit, vom frühen Morgen bis zum Abend. Ihre Loyalität dem König gegenüber war unverbrüchlich, auch wenn sie im Innersten eher danach strebten, ihrem Gott zu dienen, als irdischen Mächten zu Gefallen zu sein. Sie entwickelten keine Neugier, neue Gedanken und Ideen blieben für sie ohne Bedeutung und wurden als gefährlich erachtet. Ihr übertriebener Respekt vor der herrschenden Ordnung lähmte ihr Denken, und sie waren stets darauf bedacht, genau die Ansichten zu vertreten, die einem jüdischen Untertan anstanden. Eingeschlossen in den engen Grenzen ihrer Wissenschaft, waren sie Pedanten ohne Glanz, die ihr Leben der Aufgabe widmeten, aus dem Pflanzenreich Medizin zu gewinnen. Sie lebten von der Erinnerung an Baruch, den Ahnvater der Familie, der mit seinem unerschöpflichen Arsenal wundertätiger Kräutermedizin als Ebenbürtiger des Königs Mithridates von Pontos galt.
    Baruch lehrte seine Söhne, andere Menschen nicht in ihre innersten Gedanken Einblick nehmen zu lassen und sich unentbehrlich zu machen.
    Seine Worte wurden in jeder Generation vom Vater an den Sohn weitergegeben: »Abhängigkeit ist gewinnbringender als Wertschätzung. Wer seinen Durst gelöscht hat, wendet der Quelle sogleich den Rücken zu. Wenn die Abhängigkeit beendet ist, hört auch die Wertschätzung auf. Prägt euch dies als wichtigste Lebensregel ein: Lasst die Abhängigkeit bestehen und befriedigt sie nie. Und achtet darauf, für niemanden, nicht einmal für den König, entbehrlich zu sein. Aber übertreibt nicht. Vorsichtiges Schweigen ist das Wesen der Klugheit.«
    Derjenige, der, meinem Großonkel zufolge, die Tugenden der Familie de Espinosa verriet – wenn man sie denn als Tugenden bezeichnen will –, war Chaim.
DER FLUCH
    Israel de Espinosa war, was Kinder anbetraf, nicht vom Glück begünstigt. Er sehnte sich nach Söhnen, nach Erben, die Ärzte werden und die Familientradition weiterführen sollten. Aber zwölf Geburten hatten ihm zwölf Töchter beschert. Sein Haus war von fünfzehn Frauen bevölkert: seiner Ehefrau, den zwölf Töchtern, seiner Mutter und einer tauben Tante, die unter epileptischen Anfällen litt und nie verheiratet gewesen war.
    Israel war davon überzeugt, ein Fluch laste auf seinem Leben. Eine Tochter, das mochte angehen. Aber zwölf Töchter waren eine Katastrophe. Nach dem fünften Mädchen konnte er sich nicht mehr freuen und sprach kein Dankgebet mehr in der Synagoge. Er gab dem Kind auch keinen Namen; darum sollte

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