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Das Elixier der Unsterblichkeit

Das Elixier der Unsterblichkeit

Titel: Das Elixier der Unsterblichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabi Gleichmann
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– die Familie de Espinosa war mit den Vorbereitungen eines Festes zu Chaims zwanzigstem Geburtstag beschäftigt, bei dem die herrlichsten Speisen aufgetragen werden sollten – traf ein Page mit einer Botschaft des Königs Dionysius I. ein. Israel und Chaim sollten sich unverzüglich zu ihm begeben. Israel machte sich sogleich auf den Weg, denn er befürchtete, der König habe einen Rückfall erlitten.
    Einige Tage zuvor war Dionysius I. in besorgniserregendem Zustand von einer Reise nach Andalusien zurückgekehrt; er war ohne Bewusstsein und schweißgebadet, hatte Durchfall und hohes Fieber, seine Kleidung war von Kot beschmutzt und von Urin durchtränkt. Israel hatte seinen Puls gemessen und sich für einen Augenblick hilflos gefühlt, denn er konnte nicht entscheiden, was für den Patienten besser war: Kräutermedizin oder ein Beichtvater, der ihm die Letzte Ölung gab. Aber er erkannte schnell, dass die Majestät vermutlich an einer durch den Ausfall der Gallenfunktion hervorgerufenen Störung des Gleichgewichts der Körpersäfte litt, die zu Darmbeschwerden und hohem Fieber führte. Während die Königin die Hand des Königs hielt und hoffte, Gott möge ihre Gebete erhören und Dionysius zu ihrem eigenen und des Reiches Glück am Leben lassen, hatte Israel einen Extrakt aus vier verschiedenen Kräutern zubereitet, die er in einem Absud aus Wurzeln und Pflanzensäften verrührte. Einige Stunden später schlug der König die Augen auf, seine Hände zitterten und sein bleiches Gesicht glich gewiss noch nicht dem des großen Kriegers, der unüberwindlich von Schlachtfeld zu Schlachtfeld schritt, aber er lebte und befand sich allem Anschein nach auf dem Wege der Besserung.
    Dionysius I. hieß Vater und Sohn im Thronsaal willkommen und erklärte, er habe dank der Fürsorge und der wirkungsvollen Kräutermedizin des vortrefflichen Leibarztes unerwartet schnell seine Gesundheit und Kraft wiedererlangt. Israel atmete erleichtert auf.
    Der König erhob sich von seinem Thron und trat auf Chaim zu, legte ihm eine schwere Hand auf die Schulter und musterte ihn. Er sagte, er habe gehört, dass Chaim schon in frühen Jahren vom Vater Unterricht in Medizin erhalten habe. Der junge Mann stand wie versteinert da und suchte nach einer Antwort, bekam jedoch kein Wort heraus.
    Der König blickte Chaim in die Augen und sagte, er müsse überaus stolz auf seinen Vater sein, der nicht allein ein tüchtiger Arzt, sondern auch ein kluger, zuverlässiger und diskreter Mann sei, ein Untertan, der seinem Herrscher nie durch sinnlose Reden, unnötige Neugier oder mangelnden Respekt lästig werde. Er sei überzeugt, fuhr der König fort, die Tatsache, dass Israel Jude sei, würde ihm wegen seiner ausgezeichneten Fähigkeiten als Arzt und wegen seines guten Charakters am Jüngsten Tag vergeben werden.
    Als Beweis seiner Wertschätzung habe er, so der König weiter, den Sohn seines Leibarztes dazu ausersehen – wie sein Vater, Großvater und Urgroßvater vor ihm –, eines Tages seinem Vater nachzufolgen.
    Dionysius I. bot Chaim an, nach Granada zu gehen, um Medizin zu studieren und bei Faraj Ibn Hassan, des mächtigen Sultans Muhammed II. Leibmedikus, der von den Zeitgenossen auf der Iberischen Halbinsel in allen Aspekten der Heilkunst der bewandertste war, den Beruf gründlich zu erlernen, und der Jüngling antwortete: »Ja, Hoheit, gern.« Der König war erfreut, dies zu hören, denn es war bereits alles vorbereitet. Schon am nächsten Morgen sollte Chaim seine Heimatstadt verlassen.
    Israel wurde von Dankbarkeit überwältigt, warf sich dem König zu Füßen und beteuerte, Seine Hoheit sei der gutherzigste Mensch auf Erden. Gleichzeitig sandte er einen Gedanken zum Himmel, denn er wusste, dass Gottes Augen auf ihm ruhten, und vielleicht saß der Allmächtige auf dem Thron der Herrlichkeit und empfand Genugtuung darüber, dass sein treuer Diener eines Tages als königlicher Leibarzt von seinem Sohn beerbt werden würde, wie es seit Generationen Tradition war.
    Chaim fühlte, wie das Schicksal ihm zulächelte, und seine Augen füllten sich mit Tränen. Er versuchte, etwas zu sagen, fand aber keine Worte.
    Israel schickte den Stolz der Familie nicht ohne gewisse Bedenken nach Granada, wusste er doch, dass der von ihm selbst und von den Schwestern über die Maßen verwöhnte Junge naiv und unerfahren und auf die Begegnung mit der großen Welt nicht vorbereitet war.
    Er gab Chaim folgenden Rat: »Unsere Hände haben seit über hundert Jahren

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